a) Abgewandelter Sachverhalt
Wenn es nicht um die bloße Wiederholung eines Änderungsantrags geht, sondern um das Vorbringen des identischen Änderungsbegehrens nach einem erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahren, ist danach zu differenzieren, ob die Einspruchsentscheidung bestandskräftig geworden ist.
Beispiel:
A legt gegen seinen unter dem VdN stehenden Einkommensteuerbescheid 2021 Einspruch ein und begehrt die Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung. Das FA weist den Einspruch als unbegründet zurück, hebt aber den VdN nicht auf. Nach Ablauf der Klagefrist beantragt A eine Änderung des unter dem VdN gem. § 164 Abs. 1 AO stehenden Einkommensteuerbescheids 2021 dahingehend, dass die identischen Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten berücksichtigt werden. Das FA lehnt den Antrag unter Verweis auf die Bestandskraft der Einspruchsentscheidung ab.
b) Differenzierende Betrachtung
Die Entscheidung des FA dürfte in diesem Fall rechtmäßig sein. Zwar dürfte in Anlehnung an die Entscheidung des BFH zum zulässigen Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO kein wiederholender Änderungsantrag vorliegen. Vielmehr handelt es sich um ein das Vorbringen des identischen Änderungsbegehrens in einem anderen Korrekturverfahren, das nach der gesetzgeberischen Konzeption eigenständig und neben dem Einspruchsverfahren möglich ist. Zudem lässt § 172 Abs. 1 S. 2 AO eine Änderung von Steuerbescheiden ausdrücklich auch dann zu, wenn sie durch eine Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert wurden. Dies ist nicht beschränkt auf die Fälle des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, sondern erstreckt sich auf alle in § 172 Abs. 1 S. 1 AO genannten Fallvarianten, mithin auch auf die des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. d AO. Danach bleibt eine Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides möglich, soweit dies – ausgenommen §§ 130, 131 AO – gesetzlich zulässig ist. Damit ist auch eine Änderung gem. § 164 Abs. 2 AO erfasst.
Der Unterschied zwischen einem nach der Einspruchsentscheidung auf § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gestützten Änderungsantrag und einem auf § 164 Abs. 2 S. 2 gestützten Änderungsantrag besteht darin, dass der Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO nur bis zum Ablauf der Klagefrist zulässig ist. Ihm kann somit die Bestandskraft der Einspruchsentscheidung nicht entgegengehalten werden. Der Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO ist hingegen jederzeit bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist, also auch noch nach Eintritt der Bestandskraft der Einspruchsentscheidung, möglich.
Beraterhinweis Daher ist zu differenzieren: Wird der Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO noch vor Ablauf der Klagefrist gestellt, kann die Rechtslage nicht anders zu beurteilen sein, als wenn ein schlichter Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO vorläge. Wird der Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO dagegen erst nach Ablauf der Klagefrist gestellt, dürfte er zwar nicht schon durch das vorausgegangene Einspruchsverfahren ausgeschlossen sein, es kann ihm aber die noch vor der Antragstellung eingetretene Bestandskraft entgegengehalten werden.
c) Ergebnis
Wird der VdN gem. § 164 Abs. 1 AO in der Einspruchsentscheidung nicht aufgehoben, muss der wiederholende Änderungsantrag gem. § 164 Abs. 2 S. 2 AO vor Eintritt der Bestandskraft der Einspruchsentscheidung – also vor Ablauf der Klagefrist – gestellt werden.