Leitsatz
1. Eine Beförderung von Energieerzeugnissen unter Steueraussetzung nach § 14 Abs. 1 EnergieStG ist erst dann beendet, wenn der Empfänger das bei ihm eingetroffene Beförderungsmittel vollständig entladen hat, sodass die Feststellung von Fehlmengen während des Entladevorgangs noch während der Beförderung erfolgt.
2. § 14 Abs. 3 EnergieStG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Unregelmäßigkeit mit der Folge der Steuerentstehung nur dann als im Steuergebiet eingetreten gilt, wenn sie die Überführung der festgestellten Fehlmengen in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt hat.
3. Bleibt der Inhaber des Steuerversandverfahrens den Nachweis schuldig, dass die festgestellte Fehlmenge auf ein in § 8 Abs. 1a EnergieStG genanntes Ereignis oder auf andere Umstände zurückzuführen ist, die eine Unregelmäßigkeit ausschließen, kann die Finanzbehörde ohne weitere Feststellungen davon ausgehen, dass die Unregelmäßigkeit zu einer Entnahme der Energieerzeugnisse aus dem Verfahren der Steueraussetzung geführt hat.
Normenkette
§ 14 Abs. 1, 2 und 3, § 11 Abs. 4 EnergieStG, Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 4, Art. 10 Abs. 2, 4 und 6, Art. 20 Abs. 2 EG-RL 118/2008
Sachverhalt
Die Klägerin versandte Gasöl unter Verwendung eines elektronischen Verwaltungsdokuments im innergemeinschaftlichen Steueraussetzungsverfahren aus einem in den Niederlanden gelegenen Steuerlager an ein in Deutschland gelegenes Steuerlager. Nach Ankunft des Schiffs wurde das Gasöl in einen Tank des deutschen Steuerlagers gepumpt. Dabei wurde eine gegenüber den Angaben im elektronischen Verwaltungsdokument geringere Menge festgestellt. Das HZA setzte gegenüber der Klägerin die auf diese Fehlmenge entfallende Energiesteuer fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, die Energiesteuer sei aufgrund einer im Steuergebiet eingetretenen Unregelmäßigkeit entstanden, weshalb der angefochtene Steuerbescheid rechtmäßig sei. Der streitgegenständliche Teil der Sendung sei eine Fehlmenge, die auf eine Unregelmäßigkeit zurückzuführen sei, denn hinsichtlich eines Teils der Beförderungsmenge sei das Steueraussetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß beendet worden (FG Hamburg, Urteil vom 13.6.2013, 4 K 80/12, Haufe-Index 5337182, ZfZ 2014, Beilage Nr. 4, 58).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Hinweis
Das BFH-Urteil ist die Folgeentscheidung nach dem EuGH-Urteil vom 28.1.2016 (C-64/15, EU:C:2016:62, Haufe-Index 8999996), welches auf ein Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden VII. Senats des BFH (BFH, Beschluss vom 11. 11.2014, VII R 40/13, BFHE 248, 277, BFH/NV 2015, 602, BFH/PR 2015, 180) ergangen ist. Es geht um die Fragen der Entstehung der Energiesteuer und des Besteuerungsrechts des Mitgliedstaats in Fällen, in denen ein Energieerzeugnis (im Streitfall Mineralöl) aus einem anderen Mitgliedstaat im Steueraussetzungsverfahren nach Deutschland befördert und bei dessen Ankunft und Übernahme der Lieferung eine von der Angabe im elektronischen Verwaltungsdokument abweichende Menge (Fehlmenge), nicht aber deren Ursache festgestellt wird.
Nach dem deutschen EnergieStG ist die Steuer für die Fehlmenge entstanden und von der deutschen Zollverwaltung zu erheben (vgl. dazu die Praxis-Hinweise in BFH/PR 2015, 180). Allerdings sind die entsprechenden Regelungen der EG-RL 118/2008 (Energiesteuer-RL) unklar, weshalb zweifelhaft war, ob die Vorschriften des EnergieStG mit ihnen in Einklang stehen. Deshalb hatte der BFH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, auf das dieser mit dem o.g. Urteil in EU:C:2016:62 wie folgt geantwortet hat:
1. Art. 20 Abs. 2 der EG-RL 118/2008 des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der EWGRL 92/12 ist dahin auszulegen, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung im Sinne dieser Bestimmung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens dann endet, wenn der Empfänger dieser Waren nach vollständiger Entladung des sie befördernden Transportmittels festgestellt hat, dass die Warenmenge geringer ist als die Menge, die ihm tatsächlich hätte geliefert werden sollen.
2. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 der EG-RL 118/2008 ist dahin auszulegen, dass
– zu den von ihnen geregelten Fällen der von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erfasste Fall nicht gehört und
– der Umstand, dass in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der EG-RL 118/2008 wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass die Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Richtlinienbestimmung die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt haben muss, der Anwendung dieser nationalen Vorschrift bei der Feststellung von Fehlmengen, die notwendigerweise eine solche Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach sich ziehen, ni...