Leitsatz
Verschulden des Finanzamts an der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung kann zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung von Verspätungszuschlägen führen.
Sachverhalt
Die Klägerin vermietete seit 1998 in größerem Umfang PKW-Stellplätze und Garagen. Umsatzsteuererklärungen gab sie hierbei nicht ab, da sie davon ausging, hierzu nicht verpflichtet zu sein. Hingegen wurden die Feststellungserklärungen stets fristgerecht eingereicht. Erst mit der Feststellungserklärung 2018 wurden dem Finanzamt Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2012 bis 2018 übermittelt. Weitere Jahre seien festsetzungsverjährt, gab die Klägerin an. Das Finanzamt vertrat indes die Auffassung, dies sei nicht der Fall, da eine Steuerstraftat vorliege und deshalb eine verlängerte Verjährungsfrist einschlägig sei. Es setzte mit Bescheiden vom 30.8.2019 Umsatzsteuer für die Jahre ab 2006 nebst Verspätungszuschlägen fest. Die Klägerin wandte sich hiergegen im Einspruchsverfahren. Das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Nachdem das Finanzgericht bezüglich des Eintritts der Festsetzungsverjährung für die Jahre 2006 bis 2011 der Klägerin Recht gegeben hatte, war nunmehr noch die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die Jahre ab 2012 strittig.
Entscheidung
Das angerufene Finanzgericht gab der Klage auch diesbezüglich statt und hob die Festsetzung von Verspätungszuschlägen auf. Es entschied, dass die Festsetzung für die Jahre 2012 bis 2017 rechtswidrig sei. Nach der im Streitzeitraum geltenden Fassung des § 152 AO ist nämlich von einer Festsetzung abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint. Hier liege zumindest ein überwiegendes Mitverschulden des Finanzamts vor. Dieses habe aufgrund der Angaben in den Feststellungserklärungen erkennen können, dass die Klägerin zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung verpflichtet gewesen ist. Sie hat es sodann schuldhaft unterlassen, die Klägerin auf diese Pflicht hinzuweisen. Da dies nicht geschehen ist, liege in jedem Fall ein überwiegendes Verschulden des Finanzamts vor.
Hinweis
Die Entscheidung des FG Düsseldorf erscheint zutreffend, da das überwiegende Verschulden des Finanzamts auf der Hand zu liegen scheint. Allerdings ist der Sachverhalt selten so eindeutig wie im Entscheidungsfall. Zudem ist zu beachten, dass die Entscheidung zur alten Fassung des § 152 AO ergangen ist. In der aktuellen Fassung der Regelung ist die Festsetzung von Verspätungszuschlägen bei der Abgabe von Steuererklärungen gemäß § 152 Abs. 2 AO regelmäßig verschuldensunabhängig ausgestaltet. Ist deshalb die Frage, ob das Finanzamt ein Mitverschulden trifft vollständig auszublenden? Dies ist meines Erachtens nicht der Fall. So gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben stets, sodass er auch bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen nicht außen vor bleiben darf. Zudem ist die Frage, ob das Finanzamt ein Verschulden an der Versäumnis trifft, sicherlich auch im Rahmen eines Erlassverfahrens bezüglich der Verspätungszuschläge zu berücksichtigen.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil v. 03.11.2021, 4 K 135/20 AO