Ermessensentscheidung: Verspätungszuschlag nach Fristverlängerung

Nach § 152 AO wird die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in manchen Fällen vorgenommen, ohne dass hierfür ein Ermessensspielraum besteht oder es einer Ermessensentscheidung bedarf. Es gibt aber Ausnahmen.

Reglung des § 152 AO

Nach § 152 Abs. 1 AO kann die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Rahmen einer "Kann-Regelung" weiterhin Ermessenssache sein. Abs. 2 der Vorschrift regelt aber Fälle, nach denen ein Verspätungszuschlag zwingend festgesetzt werden muss. Ausnahmen zur "Muss-Regelung" sind wiederrum in § 152 Abs. 3 AO zu finden.

§ 152 Abs. 1 AO gilt insbesondere für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, wenn diese zwar verspätet, aber vor dem 28./29.2. des Zweitfolgejahres abgegeben wurden. Entsprechend dem bisherigen Recht kann ein Verspätungszuschlag unter Ermessensausübung festgesetzt werden.

§ 152 Abs. 2 AO: Abweichend von Absatz 1 ist zwingend (ohne Ermessensentscheidung) ein Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt abgegeben wurde.

§ 152 Abs. 3 AO: Absatz 2 gilt z. B. nicht bei Frist- oder rückwirkender Fristverlängerung, Steuerfestsetzung auf null Euro oder wenn die festgesetzte Steuer, die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht übersteigt. Bei der Summe der festgesetzten Vorauszahlungen ist nicht erforderlich, dass diese auch tatsächlich gezahlt worden sind.

Fall des FG Münster: Verlängerte Frist versäumt

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Münster wurde die Frist für die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2018, welche von einem Steuerberater erstellt wird, vom 29.2.2020 (gesetzlicher Abgabetermin) auf den 31.05.2020 (vom Finanzamt) verlängert. Die Abgabe der Umsatzsteuererklärung erfolgte aber erst weit nach Ablauf der verlängerten Frist, sodass das Finanzamt einen Verspätungszuschlag festsetzte.

Das Finanzamt ging davon aus, dass es gemäß § 152 Abs. 2 AO zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags verpflichtet gewesen ist und stellte demnach keine Ermessenerwägungen an.

Fristverlängerung führt immer zu einer Ermessensentscheidung

Das FG Münster (Urteil v. 10.2.2022, 9 K 1547/21 U) hat den angefochtene Verwaltungsakt, den Bescheid über die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2018, aufgehoben, da ein Ermessensfehler in Form der Ermessensunterschreitung/des Ermessensnichtgebrauchs vorlag.

Das Finanzamt ist irrig davon ausgegangen, dass es gem. § 152 Abs. 2 AO zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags verpflichtet gewesen ist. Da das Finanzamt aber eine Fristverlängerung bis zum 31.5.2020 gewährt hat, liegt die Festsetzung des Verspätungszuschlags nur im Ermessen des Finanzamts, ist also keine "MUSS" – sondern nur eine "KANN"-Entscheidung.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des 152 Abs. 3 Satz 1 AO führt auch dann zu einem Ausschluss des § 152 Abs. 2 AO und mithin zur Anwendung der Ermessensvorschrift des § 152 Abs. 1 AO, wenn die verlängerte Frist überschritten wurde.


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