Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag i. S. v. § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG ist gesondert festzustellen. Soweit sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist, sind auch die Konsequenzen beim Verlustfeststellungsbescheid zu ziehen. Entsprechendes gilt, wenn der Erlass, die Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkungen unterbleibt.
Sachverhalt
Der Kläger erklärte für das Jahr 1999 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit von 4 500 DM sowie Werbungskosten für seine Pilotenausbildung i. H. von 86.064 DM. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen lediglich in Höhe von 2.400 DM als Sonderausgaben und setzte mit Bescheid vom 6.8.2001 die Einkommensteuer für 1999 auf 0 DM fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 14.2.2004 stellte der Kläger einen Antrag auf gesonderte Verlustfeststellung nach § 10d EStG u. a. für das Jahr 1999. Zur Begründung verwies er darauf, dass der BFH zwischenzeitlich in einem gleichgelagerten Fall entschieden habe, dass die Aufwendungen für die Pilotenausbildung als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sei zulässig, weil sie für künftige Einkommensteuerfestsetzungen Bedeutung habe.
Das Finanzamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass er nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist für den Einkommensteuerbescheid 1999 gestellt worden sei. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das FG hat dem Finanzamt Recht gegeben und entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Verlustfeststellung hat. Eine Änderung eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug wegen einer späteren Änderung seiner Bezugsgrößen setzt nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG voraus, dass der entsprechende Steuerbescheid, auf den die Änderung der Bezugsgrößen zurückzuführen ist, noch geändert werden kann. Für den Fall, dass der entsprechende Steuerbescheid auf 0 DM lautet, reicht die Änderungsmöglichkeit nach den Korrekturvorschriften der AO dem Grunde nach aus. Gleiches gilt für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug, wenn erst nach Erlass eines Einkommensteuerbescheids mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte nachträglich geltend gemacht wird, dass im entsprechenden Veranlagungsjahr tatsächlich ein Verlust erzielt und demzufolge der Gesamtbetrag der Einkünfte negativ sei.
So liegt auch der Fall beim Kläger. Für diesen wurde im Einkommensteuerbescheid für 1999 ein positiver Gesamtbetrag und eine Steuer von 0 DM ermittelt. Mit seinem Antrag auf gesonderte Verlustfeststellung auf den 31.12.1999 macht er nachträglich geltend, dass ihm abweichend hiervon tatsächlich nicht ausgleichbare negative Einkünfte entstanden seien und damit eine Änderung der für eine gesonderte Feststellung des Verlustvortrags maßgeblichen Bezugsgröße "nicht ausgeglichene negative Einkünfte". Die weitere Voraussetzung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG, nämlich die Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides 1999 dem Rechtsgrunde nach, liegt allerdings nicht vor, da der Einkommensteuerbescheid 1999 in Bestandskraft erwachsen ist.
Hinweis
Das FG folgt mit seiner Entscheidung, gegen die der Kläger unter dem Az. VI R 20/06 die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision beim BFH eingelegt hat, der Rechtsprechung des BFH in den Urteilen vom 9.12.2001, XI R 62/97, BStBl 2000 II S. 3, und vom 9.5.2001, XI R 25/99, BStBl 2002 II S. 817. Vom Rezensionsurteil zu unterscheiden ist der Fall, dass für das Verlustentstehungsjahr noch kein Einkommensteuerbescheid vorliegt und ein solcher in Zukunft wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung auch nicht mehr ergehen kann. Hier existieren keine bestandskräftigen fehlerhaften Steuerfestsetzungen, die durch den noch zu erlassenden Feststellungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug korrigiert würden. Denn zwischen einem nichtexistenten Einkommensteuerbescheid und einem Feststellungsbescheid kann ein Widerspruch, dessen Eintritt durch § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG verhindert werden soll, nicht eintreten (BFH, Urteil v. 1.3.2006, XI R 33/04, BFH/NV 2006 S. 1204).
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 02.03.2006, 2 K 1925/05