Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Die Einkünfte einer vermögensverwaltenden Gesellschaft aus der Vermietung von Räumen an eine freiberuflich tätige Anwaltsgemeinschaft sind auch dann auf der Ebene der Gesellschaft einheitlich und gesondert festzustellen, wenn ein Gesellschafter zugleich an der Anwaltsgemeinschaft beteiligt ist und sein Grundstücksanteil als Sonderbetriebsvermögen im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit zu erfassen ist.
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 2, § 171 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 S. 2, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Eine Ehegatten-GbR vermietet Räume an eine Anwaltsgemeinschaft, an der der Ehemann beteiligt ist. Weder in der bestandskräftigen ESt-Veranlagung der Eheleute noch in der einheitlichen und gesonderten Feststellung gegenüber der Anwaltsgemeinschaft sind die Aufwendungen im Zusammenhang mit den vermieteten Räumen berücksichtigt worden. Nun beantragt die GbR die einheitliche und gesonderte Feststellung der Vermietungseinkünfte.
Das FA lehnte das ab, weil die Räume als SBV des Anwalts in der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Anwaltsgemeinschaft hätten berücksichtigt werden müssen. Das FG verpflichtete allerdings das FA zur Feststellung (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2007 10 K 188/06, Haufe-Index 1777576, EFG 2008, 511). Dabei liegt kein Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Nr. 2 AO) vor.
Entscheidung
Der BFH folgte dem FG und wies die Revision des FA zurück. Ein Fall von geringer Bedeutung liege schon wegen der unterschiedlichen Bindungswirkung nicht vor.
Hinweis
1. Nach § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Das ist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Fall, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich vermieten.
2. Was ist aber, wenn eine aus Ehegatten bestehende GbR an eine freiberuflich tätige Anwaltsgemeinschaft vermietet, an der einer der Ehegatten beteiligt ist? Mit einem derartigen Fall musste sich der BFH beschäftigen.
3. Dabei ist die Lösung schon durch den Großen Senat des BFH (Beschluss vom 11.04.2005, GrS 2/02, BFH/PR 2005, 343, BFH/NV 2005, 1648) vorgegeben: Ist an einer vermögensverwaltenden GbR ein Gesellschafter betrieblich beteiligt und verwirklicht er außerhalb der Beteiligung zugleich die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, so treten diese Tatbestandsmerkmale zu den gemeinschaftlich erfüllten und verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen hinzu und gehören deshalb nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids. Dort ist die Umqualifizierung vorzunehmen.
4. Ein Folgebescheid kann aber auch ein weiterer Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte sein, wenn die Grundstücksgemeinschaft z.B. – wie im vorliegenden Fall – Räume an eine freiberuflich tätige Anwaltsgemeinschaft vermietet, an der einer der Eheleute beteiligt ist. Deshalb muss die Umqualifizierung der Vermietungseinkünfte in Gewinnanteile bei der Anwaltsgemeinschaft (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 S. 2 EStG) im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit vorgenommen werden.
5. Aus dem Umstand, dass die von der GbR vermieteten Räume in Höhe des Miteigentumsanteils des Anwalts-Ehepartners bei ihm zugleich Sonderbetriebsvermögen bei der Anwaltsgemeinschaft ist, folgt nichts anderes. Bei den vermögensverwaltenden Gemeinschaften gilt die sog. Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO: Gesamthandsvermögen wird getrennt zugerechnet. Das bedeutet: Der Anteil des vermietenden Anwalts ist sein Sonderbetriebsvermögen im Rahmen der Anwaltsgemeinschaft. Wäre der Anwalt allein, wäre der Anteil sein Betriebsvermögen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 09.10.2008 – IX R 72/07