Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte einer vermögensverwaltenden GbR als Grundlagenbescheid für eine weitere Feststellung
Leitsatz (amtlich)
Die Einkünfte einer vermögensverwaltenden Gesellschaft aus der Vermietung von Räumen an eine freiberuflich tätige Anwaltsgemeinschaft sind auch dann auf der Ebene der Gesellschaft einheitlich und gesondert festzustellen, wenn ein Gesellschafter zugleich an der Anwaltsgemeinschaft beteiligt ist und sein Grundstücksanteil als Sonderbetriebsvermögen im Rahmen der selbständigen Tätigkeit zu erfassen ist.
Normenkette
AO § 39 Abs. 2 Nr. 2, § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 S. 2, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie besteht aus zwei Eheleuten, die je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks sind. Nach Fertigstellung des Gebäudes (im Streitjahr 2002) wurde das Dachgeschoss an eine Rechtsanwaltskanzlei vermietet. Als Mitglied dieser Anwaltskanzlei bezieht der Ehemann Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die vom Finanzamt S einheitlich und gesondert festgestellt werden.
Im Juni 2004 reichte die Klägerin für die Jahre 2001 und 2002 (Streitjahre) Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung für die Grundstücksgemeinschaft ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die Eheleute bereits bestandskräftig zur Einkommensteuer 2001 zusammen veranlagt. Dabei sind die Einkünfte aus der Beteiligung an der Anwaltssozietät nach der Mitteilung des Finanzamts S erfasst worden. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind in die Einkommensteuerfestsetzung 2001 nicht eingegangen. Die Eheleute hatten entsprechende Einkünfte in ihrer Einkommensteuererklärung nicht geltend gemacht; sie waren auch nicht Bestandteil der Feststellungserklärung der Sozietät. Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2002 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lediglich den Anteil der Ehefrau an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Das FA lehnte die Durchführung einer einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ab. Die Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 511 veröffentlichten Urteil dazu, die Einkünfte der Klägerin einheitlich und gesondert festzustellen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Feststellung für die Grundstücksgemeinschaft --was den Ehemann angehe-- nicht für seine Einkommensteuerveranlagung, sondern nur für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Sozietätseinkünfte bindend sei. Die Beteiligung stelle Sonderbetriebsvermögen des Ehemanns im Rahmen seiner Beteiligung dar. Es sei für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Klägerin aber nicht erforderlich, dass die Einkünfte bei allen Beteiligten derselben Einkunftsart zuzuweisen seien. Es liege im Streitfall auch kein Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO--) vor, weil die Feststellung für die klagende Grundstücksgemeinschaft bezüglich der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Anwaltssozietät verbindlich sei.
Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (EStG) sowie von § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO rügt. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG ordne die anteiligen Einkünfte des Ehemannes zwingend dem Feststellungsbereich der Rechtsanwaltskanzlei zu. Dadurch verblieben bei der Grundstücksgemeinschaft lediglich die der Ehefrau zuzurechnenden Einkünfte.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG das FA verpflichtet, die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und gesondert festzustellen.
1. Nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist eine einheitliche und gesonderte Feststellung vorzunehmen, wenn mehrere Personen --wie hier in der Form einer GbR-- gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen. Ist ein Gesellschafter betrieblich beteiligt, wandeln sich die ihm zuzurechnenden Beteiligungseinkünfte in betriebliche Einkünfte um. Diese Umqualifizierung vollzieht sich außerhalb der Gemeinschaft auf der Ebene des Gesellschafters. Verwirklicht er mit der Vermietungstätigkeit außerhalb der Beteiligung zugleich die Voraussetzungen der § 18 Abs. 4 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, so treten diese Tatbestandsmerkmale zu den gemeinschaftlich erfüllten und verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen hinzu und gehören deshalb nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids (vgl. dazu Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C. 3. b).
a) Dabei kann Folgebescheid ein weiterer Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sein, wenn die Grundstücksgemeinschaft --wie im Streitfall die Klägerin-- Räume an eine freiberuflich tätige Anwaltsgemeinschaft vermietet, an der einer ihrer Gesellschafter beteiligt ist. Hier müssen die gemeinschaftlich verwirklichten Besteuerungsmerkmale auf der Ebene der GbR festgestellt werden, während die Umqualifizierung der Vermietungseinkünfte in Gewinnanteile bei der Anwaltsgemeinschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG) im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorzunehmen ist.
b) Aus der sog. Bruchteilsbetrachtung, nach der ein Mietvertrag zwischen einer GbR und einem Gesellschafter steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, wenn und soweit diesem das Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 18. Mai 2004 IX R 83/00, BFHE 206, 162, BStBl II 2004, 898), kann die Revision nichts Gegenteiliges herleiten. Denn im Streitfall ist nicht der Gesellschafter (hier der Ehemann) Mieter, sondern die Anwaltsgemeinschaft. Auf dieser Ebene --also auf der Ebene des Mieters-- gilt aber nicht die Zuordnungsvorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, sondern die vorrangige Zurechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG.
c) Auch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG folgt entgegen der Revision nichts anderes. Wenn danach die die Mitunternehmerschaft betreffenden Sachverhalte in die Gewinnermittlung der Mitunternehmerschaft einzubeziehen sind (Zurechnungsnorm, so BFH-Urteil vom 18. Juli 1979 I R 199/75, BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750), der dem Gesellschafter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzuordnende Grundstücksanteil zugleich dessen Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Anwaltsgemeinschaft ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2005 IV R 29/04, BFHE 211, 305, BStBl II 2006, 173, m.w.N.), so lassen diese Auswirkungen auf der Ebene der Anwaltsgemeinschaft das --in Form der Grundstücksgesellschaft-- gemeinschaftliche Verwirklichen von Besteuerungsgrundlagen unberührt. Denn insoweit unterscheidet sich der Fall nicht von demjenigen, in dem ein an der Grundstücksgesellschaft Beteiligter allein z.B. im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels gewerblich tätig ist (so der Fall, der dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 zugrunde lag). Auch in diesem Fall ist der dem Beteiligten nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnende Anteil an dem vermieteten Grundstück zugleich beim ihm --und nur bei ihm-- Betriebsvermögen. Mehr bewirkt auch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG nicht, ist es doch gerade der Zweck dieser Norm, den Mitunternehmer einem Einzelunternehmer anzunähern (einhellige Auffassung, vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 161 und 561, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
2. Nach diesen Maßstäben hat das FG das FA zutreffend verpflichtet, die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und gesondert festzustellen. Dem FG ist auch darin beizupflichten, dass insbesondere wegen der unterschiedlichen Bindungswirkung (einerseits für das Feststellungsverfahren der Anwaltsgemeinschaft, andererseits gegenüber der Einkommensteuerveranlagung) kein Fall von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO vorliegt (vgl. in diesem Sinne auch BFH-Urteil vom 16. März 2004 IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211).
Fundstellen
Haufe-Index 2077991 |
BFH/NV 2009, 57 |
BFH/PR 2009, 112 |
BStBl II 2009, 231 |
BFHE 2008, 199 |
BFHE 223, 199 |
DB 2008, 2746 |
DStR 2008, 2363 |
DStRE 2008, 1536 |
DStZ 2009, 7 |
HFR 2009, 104 |