Leitsatz

* 1. Die objektive Feststellungslast für die Voraussetzungen einer vGA trifft grundsätzlich das FA. Spricht der festgestellte Sachverhalt dafür, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA erfüllt sind, kann es allerdings Sache des Steuerpflichtigen sein, den dadurch gesetzten Anschein zu widerlegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beweisrisikoverteilung. Erst nach Scheitern entsprechender Aufklärungsversuche des FG dürfen daraus aber dem Steuerpflichtigen nachteilige Schlüsse gezogen werden.

2. In einem Verzicht auf eine mündliche Verhandlung liegt kein Verzicht auf eine gebotene Sachverhaltsermittlung durch das Gericht.

* Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG , § 76 FGO , § 90 Abs. 2 FGO , § 90 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Es handelt sich um den Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde, der vom BFH gem. § 126a FGO nur rudimentär und vor allem ohne Mitteilung des Sachverhalts begründet wurde. Darum muss dieser Sachverhalt hier etwas "rekonstruiert" werden:

Die Beteiligten stritten um die Behandlung von Sachzuwendungen und Mietzahlungen als vGA, die vom FA nach Durchführung einer Außenprüfung angenommen wurden. Das FG hatte die Klage gegen die Steuerbescheide des FA durch Urteil des Einzelrichters im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

Nach Ansicht des FG war die Klägerin, eine GmbH, ihrer Mitwirkungsverpflichtung zur Aufklärung der von ihr behaupteten Sachverhalte nicht nachgekommen. Aus Gründen der Beweisnähe ("Sphärentheorie") sei sie gehalten, Zweifel, die für die Annahme von vGA sprächen, durch entsprechende, in ihren Kenntnisbereich fallende Auskünfte auszuräumen. Dazu sei sie vom FA auch aufgefordert worden. Wenn sie dieser Aufforderung nicht nachkomme, gehe dies zwangsläufig zu ihren Lasten.

Mit ihrer Beschwerde rügte die Klägerin mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das FG.

 

Entscheidung

Der BFH hat der Beschwerde stattgegeben und die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das FG zurückverwiesen, damit dieses sich nunmehr um die erforderliche Sachaufklärung bemühen könne (§ 116 Abs. 6 FGO). Die Gründe für diese Zurückverweisung haben Sie sicherlich bereits den Praxis-Hinweisen entnommen.

 

Hinweis

1. In dem mittlerweile bereits viel diskutierten Urteil des BFH vom 17.10.2001, I R 103/00 (BFH-PR 2002, 18) zu den Konzernverrechnungspreisen hat der BFH bekanntlich (und wie in BFH-PR, dort unter 3. trefflich nachzulesen) die Grundlinien zur objektiven Feststellungslast, vulgo Beweislast, im Zusammenhang mit der vGA festgezogen. Danach obliegt diese Last dem FA. Das betrifft sowohl das Vorliegen einer Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) als auch die Frage nach der Veranlassung dieser Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis.

Spricht der festgestellte Sachverhalt dafür, dass diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (z.B. im Fall der Gewährung einer Umsatztantieme an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH), kann es indes Sache des Steuerpflichtigen sein, den dadurch gesetzten Anschein im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht zu zerstreuen und zu widerlegen. Es gelten dann die allgemeinen Grundsätze zur Beweisrisikoverteilung und zur Beweisnähe ("Sphärentheorie").

2. Diese Grundlinien werden vom BFH im Besprechungsbeschluss nochmals bekräftigt. Er geht allerdings einen Schritt weiter und zeigt auf, was das praktisch im Rahmen eines FG-Prozesses bedeuten kann: Das FG ist (nicht anders als zuvor das gem. Art. 20 Abs. 3 GG gleichermaßen Recht und Gesetz und zur Sachaufklärung verpflichtete FA) gehalten, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären (vgl. § 76 FGO). Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige seiner "Widerlegungs-Obliegenheit" im Fall einer einschlägigen vGA-Vermutung nicht nachkommt.

Erst dann, wenn das FG vergeblich versucht, den Kläger zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht (vgl. § 90 Abs. 1 AO) anzuhalten und wenn Aufklärungsversuche scheitern, kann es daraus für den Kläger nachteilige Schlüsse ziehen. Alles andere ist nicht ordnungsgemäß. Insbesondere darf das FG nicht schlicht auf mangelnde Mitwirkung des Steuerpflichtigen auf eine Anfrage des FA verweisen, und zwar gleichviel, ob eine derartige Anfrage noch im Besteuerungsverfahren oder aber bereits während des laufenden Klageverfahrens an den Steuerpflichtigen gerichtet worden ist.

3. Das gilt nicht nur, wenn eine mündliche Verhandlung vor dem FG als dem "Herzstück" des Prozesses stattfindet, sondern auch dann, wenn der Kläger auf die Durchführung einer solchen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO). Der Verzicht ist nicht gleichbedeutend mit dem Verzicht auf Sachaufklärung und ein ordnungsgemäßes Verfahren. Beachten Sie dennoch: Der Verzicht auf die Durchführung der Verhandlung will immer gut besonnen sein und sollte niemals, auch nicht aus Mangel an einschlägiger forensischer Erfahrung, leichtfertig erfolgen; die mündliche Verhandlung ist bei richtigem Verständnis das Essenzial der Interessenwahrn...

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