Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für AdV-Verfahren wegen Forderungspfändung
Leitsatz (redaktionell)
Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Einzelfall dem Streitwert der Hauptsache angenähert wird. Hier: Ansatz des Streitwerts eines Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung einer Kontenpfändung in Höhe des Werts der Hauptsache.
Normenkette
GKG § 25 Abs. 2 S. 1
Gründe
Der Senat erachtete eine Festsetzung des Streitwerts gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) für angemessen.
Der Streitwert entspricht hier dem Wert der Hauptsache.
Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung -AdV- (§ 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO-) richtet sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag für den Antragsteller ergebenden Bedeutung der Sache; er ist nach Ermessen zu bestimmen (§§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG). Bei der Ermessensausübung ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der Wert des Aussetzungsverfahrens niedriger als der des Klageverfahrens ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dem der Senat folgt, beläuft sich in der Regel der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf 10 v.H. des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens, und zwar auch in Vollstreckungssachen (BFH-Beschluß vom 7. März 1989 VII E 1/88, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1989, 721). Im Streitfall ist dies anders. Denn die Antragstellerin (Astin) begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes das, was sie auch mit ihrer Klage 9 K 264/99 auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners (Ag) vom 18. Mai 1999 begehrt, nämlich Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung.
Nach herrschender Meinung ist in Ausnahmefällen, in denen das Interesse an einer vorläufigen Regelung dasselbe wie an der endgültigen Regelung ist, insbesondere wenn die Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache ganz oder zum Teil vorwegnimmt, ein höherer Ansatz gerechtfertigt (Senatsbeschluß vom 16. Oktober 1980 IX 210-211/79, IX 241/80, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1981, 205; Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., § 20 GKG, Rdnr. 24, 31; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdnr. 1043; Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit: Fassung 1996 I Nr. 7 Satz 2, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1996, 563; anderer Ansicht zur einstweiligen Anordnung Finanzgericht Hamburg, Beschluß vom 27. Dezember 1996 II 118/96, EFG 1997, 495 unter Hinweis auf BFH-Beschluß vom 22. August 1995 VII B 153/95, Juris). Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet es nicht, wenn der Streitwert des Eilverfahrens im Einzelfall dem Streitwert der Hauptsache angenähert wird (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- Beschluß vom 24. August 1993 2 BvR 1858/92, NVwZ-Rechtsprechungs-Report 1994, 105, 107).
Für nicht nur eine Annäherung an den Wert der Hauptsache vielmehr sogar eine Gleichstellung mit dieser spricht hier die für die Wertfestsetzung entscheidende Bedeutung des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes für die Astin. Denn die von der Astin im Eilverfahren begehrte Regelung, nämlich Aussetzung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung in der Weise, daß der Drittschuldner (Bank) das Kontoguthaben an sie auszahlt, kommt für diese in den praktischen Auswirkungen einer Hauptsacheentscheidung gleich.
Zwar würde es sich rechtlich gesehen, wenn der Senat im Wege der AdV dem Begehren der Astin stattgeben würde, lediglich um eine vorläufige Entscheidung handeln. Die Gestaltungswirkung der Pfändungsverfügung wäre nur einstweilen gehemmt. Würde die Klage in der Hauptsache, in der die Aufhebung der Pfändungsverfügung begehrt wird, abgewiesen, so wäre mit Rechtskraft dieser Entscheidung das zwischenzeitlich aufgrund der angeordneten AdV von der Bank als Drittschuldner an die Astin ausgezahlte Guthaben auf dem Oder-Konto rechtsgrundlos geleistet und könnte durch den Ag von der Astin zurückgefordert werden (Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, S. 720, 1180). Ein Rückforderungsanspruch des FA gegen den Vollstreckungsschuldner wäre aber im wirtschaftlichen Ergebnis eine deutliche Schlechterstellung des FA. Denn ein bloßer Rückforderungsanspruch ließe sich im Streitfall wesentlich schlechter, angesichts des Umstandes, daß sich die Astin im Ausland aufhält und hier nach Aktenlage kein weiteres Vermögen hat, derzeit gar nicht realisieren (Baumbach/Lauterbach-/Albers/Hartmann, ZPO. 57. Aufl., Grdz § 916 Rdrn. 8).
In Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Pfändung eines Rechts ist der Streitwert (eines Hauptsacheverfahrens) grundsätzlich nach dem Betrag zu bemessen, zu dessen Beitreibung die Pfändung ausgebracht worden ist, es sei denn, der Wert des Pfandgegenstandes ist niedriger als dieser Betrag (BFH-Urteil vom 17. November 1987 VII R 68/85, BFH/NV 1988, 457), mithin hier der volle Betrag von 91.634,46 ...