Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblichkeit des Steuerbilanzgewinns und nicht des z. B. unter Berücksichtigung außerbilanzieller Korrekturen ermittelten steuerlichen Gewinns für die Gewinngrenze in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG als Voraussetzung für die Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrags (IAB)
Leitsatz (redaktionell)
Unter „Gewinn” im Sinne von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG ist der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu verstehen. Eine Korrektur um außerbilanzielle Positionen wie nichtabziehbare Betriebsausgaben oder einkommensteuerfreie Einnahmen (z. B. Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG) findet nicht statt (gegen BMF, Schreiben v. 15.6.2022, IV C 6 – S 2139-b/21/10001:001, BStBl 2022 I S. 945).
Normenkette
EStG 2020 § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 40, § 4 Abs. 1, 3, 4a, 5, 5b, § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. b
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2020 vom 10. März 2022 und der Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2020 vom 4. März 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. September 2022 werden insoweit abgeändert, als der Gewinn aus Gewerbebetrieb um 120.000 EUR gemindert wird.
Die Berechnung der festzusetzenden Steuern und des festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrags wird dem Beklagten übertragen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für die Bildung eines Investitionsabzugsbetrages (IAB) nach § 7g Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) im Veranlagungszeitraum 2020 (Streitjahr) erfüllt sind.
Die Klägerin betreibt einen (…) und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Gewinnermittlung erfolgt durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 EStG). Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr.
In ihrem beim Beklagten nach amtlich vorgeschriebenen Datensätzen durch Datenfernübertragung eingereichten Jahresabschluss zum 31. Dezember 2020 ermittelte die Klägerin einen Steuerbilanzgewinn von 199.309,90 EUR. Dieser Betrag stelle nach Auffassung der Klägerin auch den „Gewinn” für die Prüfung der Überschreitung der Gewinngrenze i.S. von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG in Höhe von 200.000 EUR dar. Außerbilanzielle Hinzu- bzw. Abrechnungen seien nicht zu berücksichtigen. Die Gewinngrenze sei daher nicht überschritten und der geltend gemachte IAB von 120.000 EUR könne berücksichtig werden.
Den steuerlichen Gewinn berechnete sie demnach wie folgt:
Steuerbilanzgewinn |
|
199.309,90 EUR |
nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreie Erträge (Teileinkünfteverfahren) |
– |
1.170,00 EUR |
IAB nach § 7g EStG |
– |
120.000,00 EUR |
nichtabziehbare Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5, 6 und 7 EStG |
+ |
1.457,00 EUR |
Gewerbesteuer nach § 4 Abs. 5b EStG |
+ |
10.199,00 EUR |
steuerlicher Gewinn |
|
89.795,90 EUR |
Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2022 mit, dass die Voraussetzungen für die Bildung eines IAB nicht erfüllt seien. Außerbilanzielle Hinzu- bzw. Abrechnungen seien entgegen der Auffassung der Klägerin zu beachten. Der Gewinn ermittele sich demnach wie folgt:
Steuerbilanzgewinn |
|
199.309,90 EUR |
§ 3 Nr. 40 EStG steuerfreie Erträge (Teileinkünfteverfahren) |
– |
1.170,00 EUR |
nichtabziehbare Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5, 6 und 7 EStG |
+ |
1.457,00 EUR |
Gewerbesteuer nach § 4 Abs. 5b EStG |
+ |
10.199,00 EUR |
209.795,90 EUR |
Damit überschreite der Gewinn bereinigt um außerbilanzielle Zu- und Abrechnungen und vor Abzug des IAB die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG geregelte Grenze von 200.000 EUR. Der IAB könne nicht gewährt werden.
In der Folge erfasste der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2020 vom 10. März 2022 sowie im Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2020 vom 4. März 2022 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 209.795 EUR.
Mit Schreiben vom 16. März 2022 (Eingang beim Beklagten am 16. März 2022; …) legte die Klägerin gegen die Bescheide Einsprüche ein.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 9. September 2022 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15. Juni 2022, Bundessteuerblatt (BStBl) I 2022, 945, Rn. 13 werde der Gewinn als der Betrag angegeben, der ohne Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen gemäß § 7g Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen sei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 4 bis 5 sowie 6 bis 7i EStG). Außerbilanzielle Korrekturen der Steuerbilanz seien hierbe...