Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Familienzusammenführung keine Ausnahme von der überdachenden Besteuerung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz. Keine sinngemäße Auslegung von Verwaltungsanweisungen durch das Finanzgericht. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen ist eine Ausnahme von der überdachenden Besteuerung nur für den in Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz geregelten Fall der Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit vorgesehen, nicht jedoch aus familiären oder sozialen Gründen.
2. Allgemeine Verwaltungsanweisungen sind nicht der Auslegung nach den dafür maßgeblichen Kriterien durch die Finanzgerichte zugänglich. Daher ist es dem Finanzgericht nicht möglich, die Billigkeitsregelung gemäß Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens der deutschen und der schweizerischen Finanzbehörden zum Doppelbesteuerungsabkommen vom 19.9.1994 (BStBl II 1994, 683) für den Fall des Wegzugs eines der deutschen überdachenden Besteuerung unterliegenden Steuerpflichtigen in die Schweiz anlässlich der Heirat mit einem schweizer Staatsangehörigen im Wege der Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Anweisung auf Fälle der Familienzusammenführung bei bereits verheirateten Paaren auszudehnen.
Normenkette
DBA CHE Art. 4 Abs. 4 S. 4, Art. 15a Abs. 1 S. 4
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Nichtanwendung der Abwandererregelung gem. Art. 15a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen –DBA-Schweiz–.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als … in der Bundesrepublik Deutschland … Seit dem … 1996 ist er mit einer schweizerischen Staatsangehörigen verheiratet. Bis Mai 1997 lebten die Eheleute zusammen in … Deutschland. Im Mai 1997 zog die Ehefrau des Klägers wegen der Krankheit ihrer Eltern in die Schweiz zu ihren Eltern zurück. Am 31.07.1998 verlegte auch der Kläger seinen Wohnsitz dorthin.
Am … reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung 1998 beim beklagten Finanzamt –FA– ein. Mit Bescheid vom… wurde der Kläger gem. Art. 15a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Einkommensteuer veranlagt. Festgesetzt wurde eine Einkommensteuer i.H. von … DM unter Zugrundelegen der Grundtabelle. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am … form – und fristgerecht Einspruch ein. Während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren wurde der Bescheid vom … gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom … geändert.
Zur Begründung seiner Einspruchs brachte der Kläger vor, daß für die Zeit ab Wegzug in die Schweiz die Besteuerung nach Art. 15a DBA-Schweiz nur mit 4,5 v.H. des Bruttoarbeitslohns hätte vorgenommen werden dürfen.
Mit Einspruchsentscheidung vom …, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Im Wesentlichen ist folgendes ausgeführt: Eine Besteuerung gem. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz mit 4,5 % der Brutto Vergütung sei nur durchzuführen, wenn eine Besteuerung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht in Betracht komme. Art. 15a Abs. 1 Satz 4 DBA-Schweiz bestimme, daß Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz der Anwendung des Art. 15a DBA-Schweiz vorgehe. Bei einer in der Schweiz ansässigen natürlichen Person, die nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt und die in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz insgesamt mindestens 5 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei, stehe der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr des Wegzugs und die folgenden fünf Jahre das Besteuerungsrecht für die in der Bundesrepublik erzielten Einkünfte zu.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom … erhobene Klage, die am … bei Gericht einging. Im Wesentlichen wird folgendes vorgetragen: Als in Deutschland arbeitender Mensch könne der Kläger ohne mit einer Schweizerin verheiratet zu sein keine Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz erhalten. Aufgrund der schwierigen Versetzungsmöglichkeit wäre es sehr fraglich gewesen, ob der Kläger – ohne verheiratet gewesen zu sein bzw. ohne dass seien Frau in der Schweiz gewohnt hätte – überhaupt eine Chance gehabt hätte, nach Baden-Württemberg versetzt zu werden. Weitergedacht bedeute dies, dass der Kläger in der Praxis absolut keine Chance gehabt hätte, die Ausnahmebedingung der Abwanderungsregelung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz zu erfüllen, was ja nicht der Sinn und Zweck dieses Gesetzes sein könne. Der Umzug des Klägers in die Schweiz sei ausschließlich damit begründet, dass er mit seiner Frau in ehelicher Gemeinschaft habe leben wollen. Die lange Zwangstrenn...