rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnungsgrundlagen für das Vorliegen einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung einer Rente der Deutschen Rentenversicherung durch Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung liegt vor, wenn die einem Steuerpflichtigen voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge geringer sind als die von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen. Die künftig (voraussichtlich) steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge ermitteln sich dergestalt, dass der jeweilige steuerfreie Jahresbetrag der Rente im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG mit der im Zeitpunkt des Renteneintritts gegebenen durchschnittlichen weiteren statistischen Lebenserwartung zu multiplizieren ist, wobei die Berechnung auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen ist (vgl. BFH, Urteil v. 21.6.2016, X R 44/14).
2. Maßgebend für die Ermittlung der im Zeitpunkt des Renteneintritts gegebenen durchschnittlichen weiteren statistischen Lebenserwartung ist die im Zeitpunkt des Renteneintritts letztverfügbare Sterbetafel (Anschluss an FG Baden-Württemberg, Urteil v. 1.10.2019, 8 K 3195/16, EFG 2020 S. 116).
3. Der aus versteuertem Einkommen geleistete Teilbetrag der Altersvorsorgeaufwendungen ist für die Veranlagungszeiträume bis 2004 in der Weise zu ermitteln, dass die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der Sozialversicherung gleichrangig am beschränkten Sonderausgabenabzug teilnehmen. Dasselbe gilt auch für Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen, soweit sie der Erlangung eines mit dem Niveau der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen vergleichbaren Schutzes dienen. Soweit die Beiträge einem weitergehenden Schutz dienen, nehmen sie nur nachrangig am Sonderausgabenabzug teil. Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen sind im Hinblick auf den beschränkten Sonderausgabenabzug nur nachrangig zu berücksichtigen, ebenso Beiträge zu Haftpflicht- und Unfallversicherungen (Anschluss an FG Baden-Württemberg, Urteil v. 1.10.2019, 8 K 3195/16, EFG 2020 S. 116).
4. Bei zusammenveranlagten Ehegatten ist der gewährte (begrenzte) Sonderausgabenabzug anders als bei der Einkünfteermittlung einheitlich zu betrachten und im Verhältnis der vorrangig zu berücksichtigenden Versicherungsbeiträge beider Ehegatten aufzuteilen und der entsprechende Anteil am Sonderausgabenabzug den jeweiligen Rentenversicherungsbeiträgen zuzuordnen.
5. In den Veranlagungszeiträumen ab 2005 ist- soweit nicht aufgrund der Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG noch die Rechtslage bis 2004 bei der Veranlagung angewendet wurde – aufgrund der veränderten Rechtslage der aus versteuertem Einkommen geleistete Teilbetrag der Altersvorsorgeaufwendungen in der Weise zu ermitteln, dass der prozentuale Anteil der vom Kläger geleisteten Rentenversicherungsbeiträge an der Summe der von beiden Ehegatten geleisteten Rentenversicherungsbeiträge ermittelt wird. Dieser prozentuale Anteil am Sonderausgabenabzug entfällt auf die Rentenversicherungsbeiträge. Die nicht durch diesen anteiligen Sonderausgabenabzug berücksichtigten Rentenversicherungsbeiträge des Steuerpflichtigen sind die von ihm aus versteuertem Einkommen geleisteten Teilbeträge seiner Altersvorsorgeaufwendungen (Anschluss an FG Baden-Württemberg, Urteil v. 1.10.2019, 8 K 3195/16, EFG 2020 S. 116).
Normenkette
EStG 2017 § 10 Abs. 4a, 1 Nrn. 2-3, 3a, § 1 Abs. 3-4, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 1-5, § 9a S. 1 Nr. 3, §§ 32a, 10c; EStG (vor 2005) § 3 Nr. 62; EStG (vor 2005) § 10 Abs. 1 Nr. 2; EStG (vor 2005) § 10 Abs. 1 Nr. 3; EStG (vor 2005) § 10 Abs. 1 Nr. 4; EStG (vor 2005) § 10 Abs. 3 S. 1; EStG (vor 2005) § 10 Abs. 3 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung von Renten in 2017 (Streitjahr).
1. Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute.
Die Kläger erhalten jeweils eine Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV); der Kläger seit 1. Juli 2014 und die Klägerin seit 1. Dezember 2014. Im Streitjahr erklärte der Kläger aufgrund dessen Einnahmen aus Leibrenten von 5.785 Euro und die Klägerin von 18.975 Euro. Der Kläger erhält zudem seit 1. Juni 2011 Versorgungsbezüge –im Streitjahr i.H. von 24.560 Euro– aus einem Beamtenverhältnis, welches von 1. Juli 1991 bis 1. Juni 2011 bestand (vgl. Einkommensteuererklärung vom 25. April 2018, ESt-Akte, Bl. 1 ff.).
2. Mit Bescheid vom 14. Juni 2018 setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) Einkommensteuer i.H. von 2.549 Euro, Solidaritätszuschlag i.H. von 121 Euro und evangelische Kirchensteuer i.H. von 203,92 Euro fest (Rb-Akte, Bl. 1 ff.), wobei er hinsichtlich der Altersrenten von Folgendem ausging: