Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Hatte ein Steuerpflichtiger zwingend steuerfreie Umsätze aus dem Verkauf von schlüsselfertigen Wohnungen der Umsatzsteuer unterworfen und die Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen für die Gebäudeerrichtung geltend gemacht und fordert das FA nach einer Außenprüfung die Vorsteuerbeträge zurück, weil diese einer steuerfreien Verwendung zugeordnet wurden, so ist die Erhebung von Nachforderungszinsen dafür nicht deshalb sachlich unbillig i.S. des § 227 AO, weil die für die zunächst versteuerten Ausgangsumsätze entrichtete Umsatzsteuer erst im Voranmeldungsverfahren im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung unverzinslich rückerstattet wurde.
Normenkette
AO 1977 §§ 227, 233a; UStG § 14 Abs. 2, § 17 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer (USt) der Veranlagungszeiträume 1992–1994 zu erlassen sind.
Die Klägerin (Klin) betreibt Wohnungsbau. Sie erbringt teilweise steuerpflichtige Leistungen. Durch die Veräußerung von auf eigenem Grund und Boden erstellten Wohnungen erbringt sie auch steuerfreie Leistungen. Die Klin errichtete in der Zeit von 1992 – 1994 u. a. zwei Gebäude mit jeweils 24 Wohnungen auf eigenem Grund und Boden. Für diese Bauvorhaben machte die Klin in den USt-Erklärungen 1992 – 1994 aus Eingangsrechnungen Vorsteuern in Höhe von … DM geltend und unterwarf Anzahlungen und Erlöse in Höhe von … DM der USt. Im Anschluß an eine am 02.07.1996 angeordnete, die Kalenderjahre 1992 – 1994 betreffende USt-Außenprüfung, forderte der Beklagte (Bekl) mit geänderten USt-Bescheiden 1992 bis 1994 vom 02.08.1996 die Vorsteuerbeträge zurück, weil diese dem Verkauf schlüsselfertiger Wohnungen und damit einer steuerfreien Verwendung zugeordnet wurden. Gleichzeitig wurden mit den geänderten USt-Bescheiden Zinsen gemäß § 233 a Abgabenordnung (AO) in Höhe von insgesamt … DM festgesetzt. Die für die zunächst versteuerten Ausgangsumsätze entrichtete USt in Höhe von … DM wurde nach Rechnungsberichtigungen erst im Voranmeldungsverfahren 1996 unverzinslich rückerstattet.
Die Klin beantragte, die festgesetzten Zinsen gemäß § 227 AO zu erlassen, weil bei von vornherein richtiger umsatzsteuerlicher Abwicklung bei der Klin bereits wesentlich früher eine geringere USt-Belastung entstanden wäre, so daß dem Bekl kein Zinsschaden entstanden sei.
Der Bekl lehnte mit Bescheid vom 08.10.1997 den Erlaßantrag ab, weil eine sachliche Unbilligkeit nicht vorliege. Die Verzinsung nach § 233 a AO knüpfe nicht an den Saldo der gesamten steuerlichen Auswirkung, sondern an die umsatzsteuerliche Beurteilung von Umsätzen und Vorsteuern in den einzelnen Besteuerungszeiträumen. Die wirtschaftliche Betrachtung rechtfertige keinen Billigkeitserlaß. Der Gesetzgeber habe bewußt in Kauf genommen, daß die Anknüpfung an einzelne Veranlagungszeiträume Härten auslösen könne.
Mit beim Bekl am 04.11.1997 eingegangenem Schreiben wandte sich die Klin gegen den ablehnenden Bescheid. Zinsen seien weder Sanktionen noch Druckmittel noch Strafe sondern laufzeitabhängige Gegenleistung. Die Klin habe selbst keinerlei Zinsvorteile erlangt, sondern dem Fiskus Liquiditätsvorteile verschafft, indem ihm über mehrere Jahre ein Steuerbetrag von etwa … DM zur Verfügung gestellt worden sei. Der Klin seien dadurch nicht mehr ausgleichbare Zinsbelastungen entstanden. Werde der Gesetzesplan im Gesetz nicht durchgängig verwirklicht, müßten etwaige Wertungsüberhänge durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall abgefangen werden. Wenn die Begriffe des Gesetzes in unvorhergesehenen Fallkonstellationen Härten aufwiesen, müsse das Ergebnis der strikten Gesetzesanwendung korrigiert werden. Dies sei Aufgabe der Billigkeit. Die Einziehung sei unbillig, wenn der Vorgang zu einer unbeabsichtigten Doppelbelastung führe.
Der Bekl wies mit Bescheid vom 22.04.1998 den Einspruch als unbegründet zurück. Sachliche Billigkeitsgründe lägen vor, wenn der gesetzliche Tatbestand zwar erfüllt sei, die Erhebung der Zinsen aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufe (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 26.10.1994, Bundessteuerblatt -BStBl- 1995, 297). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewußt in Kauf genommen habe, rechtfertigten dagegen keinen Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen (Hinweis auf Urteil des BFH vom 29.08.1991, BStBl II 1991, 906). Der Gesetzgeber habe mit der allgemeinen Verzinsung einen Ausgleich dafür schaffen wollen, daß die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig würden. Liquiditätsvorteile sollten wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung jedenfalls für die Zeit von 15 Monaten nach Entstehung der Steuer abgeschöpft werden (Hinweis auf Urteil des BFH vom 05.06.1996, BStBl II 1996, 503). § 233 a AO stelle dabei nicht auf den Vorteil des FA, sondern auf den des ...