Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des gemeinen Werts eines unbebauten Grundstücks

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Lässt sich der für die Einheitswertfeststellung eines unbebauten Grundstücks maßgebende gemeine Wert nicht aus einer ausreichenden Zahl repräsentativer und stichtagsnaher Verkaufsfälle von vergleichbaren Grundstücken ermitteln, so sind aus praktischen Gründen und zur Sicherung der gleichmäßigen Besteuerung vorzugsweise sog. Richtwerte der Einheitsbewertung zugrunde zu legen.

2. Hat das FA für das zu bewertende Grundstück auf den Hauptfeststellungzeitpunkt keinen Richtwert aufgestellt, kann auch eine Liste, in der für einzelne Straßen (teilweise für mehrere Straßenabschnitte) eines Stadtgebiets bestimmte Bodenwerte ausgewiesen sind, die Anforderung an die Bildung von Richtwerten erfüllen.

3. Methodische Zulässigkeit den Richtwert für ein in den 90er Jahren erschlossenes Baugebiet von dem Richtwert eines Anfang der 60er Jahre erschlossenen Baugebiet derart abzuleiten, dass die Merkmale der Grundstückslagen (wie Verkehrserschließung, bauliche Ausnutzung, Wohn- und Geschäftslage...) miteinander verglichen und danach die einzelnen Werte zueinander abgestuft ermittelt werden.

 

Normenkette

BewG §§ 9, 83, 22 Abs. 3, §§ 27, 72

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der für unbebaute Grundstücke festgestellten Einheitswerte (§ 72 i.V.m. § 9 Abs. 1 Bewertungsgesetz –BewG–).

Die Klägerin erwarb durch Vertrag vom 15. Oktober 1997 von der Stadt … (M.) insgesamt sechs Grundstücks-Parzellen Flurstücke-Nrn. … in dem Gebiet des rechtskräftigen Bebauungsplans „…” der Stadt M.. Im Kaufvertrag übernahm die Klägerin eine Bebauungsverpflichtung, die entsprechend einer notariellen Urkunde vom 17. Februar 1998 erfüllt werden sollte. Die Erschließung durch bestimmte Versorgungsanlagen wurde vereinbart und durch Dienstbarkeiten gesichert.

Die Flurstücke-Nrn. … sind im Kataster als Wege, die übrigen Grundstücke sind jeweils als Bauplatz („Gebäude- und Freifläche”) ausgewiesen. Durch Grundbucherklärung vom 27. April 1998 wurden die Flurstücke-Nrn. … sowie … zu jeweils einem Grundstück vereinigt und anschließend in insgesamt 30 kleinere Parzellen aufgeteilt, die Jeweils als „Gebäude- und Freifläche” bezeichnet sind und auf denen nach einem Bauplan in der Urkunde vom 17. Februar 1998 insgesamt 14 Reihenhäuser und 16 Stellplatz-Parzellen errichtet werden sollten. Zur Erschließung wurden wechselseitige Dienstbarkeiten mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten bestellt. Die Klägerin errichtete die vorgesehenen Gebäude und verkaufte die einzelnen Haus- und Stellplatzgrundstücke an verschiedene Erwerber.

Durch Nachfeststellungsbescheide vom 16. Juli 1998 stellte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Einheitswerte für die unbebauten Grundstück auf den 1.1.1998 jeweils aufgrund eines Bodenwerts in Höhe von 30 DM/m² wie folgt fest:

Flurstück-Nr.

Fläche m²

DM

99

2.900

1.080

32.400

99

2.900

973

29.100

888

26.600

96

2.800

Mit dem Einspruch vom 20. Juli 1998 ließ die Klägerin beantragen, die Einheitswerte jeweils nach einem Bodenwert von 15 DM/m² herabzusetzen. Das FA teilte den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, die Bodenrichtwerte zum 1.1.1964 seien vom damaligen Sachbearbeiter unter Mitwirkung der Mitarbeiter der jeweiligen Gemeindeverwaltung auf der Basis der zur Verfügung stehenden Kaufverträge ermittelt worden. Für die nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt neu entstandenen Baugebiete seien die Bodenrichtwerte aus den zum 1.1.1964 für die angrenzenden Gebiete ermittelten Richtwerten abgeleitet worden. Für das Neubaugebiet „…” sei der Bodenrichtwert aus zwei Straßen abgeleitet und einheitlich auf 30 DM/m² festgelegt worden.

Die Prozessbevollmächtigten bezweifelten das ordnungsgemäße Zustandekommen solcher Richtwerte und machten geltend, wenn eine beste Innenstadt-Wohnlage mit 20 DM/m² bewertet werde, könne eine Außenwohnlage nicht mit 30 DM/m² angesetzt werden. Das hier betroffene Wohngebiet sei auch nicht mit zwei anderen Wohngebieten vergleichbar, da dort für großzügige Einfamilienhäuser Grundstückspreise von 400 bis 500 DM/m² üblich seien, hier jedoch bei enger Siedlungsbebauung die Preise bei 200 bis 300 DM/m² lägen. Im entsprechenden Verhältnis dürfe der Bodenwert höchstens bei 20 DM/m² angesetzt werden.

Mit Entscheidungen vom 11. Mai 1999, die den Prozessbevollmächtigten mit einfachem Brief zugesandt wurden, wies das FA die Einsprüche zurück. Dagegen richtet sich die am 14. Juni 1999 bei Gericht eingegangene Klage.

Der Klägerin hält die Einheitswert-Feststellungen auf den 1.1.1998 für rechtsfehlerhaft, weil nach der eigenen Angabe des FA diejenigen Urkunden, die zur Wertfindung die notwendigen Angaben enthielten, vernichtet worden seien. Eine „aktualisierte” Bodenwertliste ohne Bezugnahme auf diejenigen Gründe, die zur Festlegung des jeweiligen Bodenwerts geführt hätten, genüge rechtsstaatlichen Anforderungen nicht. Da zumindest die zur Findung von Bodenwerten herangezogenen Kaufverträge noch vorhanden sein müssten, müsse...

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