Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des gemeinen Werts unbebauter Grundstücke
Leitsatz (redaktionell)
1. Lässt sich der gemeine Wert unbebauter Grundstücke nicht aus einer ausreichenden Zahl repräsentativer und stichtagsnaher Verkaufsfälle von vergleichbaren Grundstücken ermitteln, so sind aus praktischen Gründen und zur Sicherung der gleichmäßigen Besteuerung vorzugsweise sog. Richtwerte der Einheitsbewertung zugrunde zu legen.
2. Ermittlung von Bodenrichtwerten für unbebaute Grundstücke zur Feststellung des Einheitswerts zum 1.1.1964: Eine Bodenwert-Liste für unbebaute Grundstücke, in der für einzelne Straßen (teilweise für mehrere Straßenabschnitte) eines Stadtgebiets bestimmte Bodenwerte ausgewiesen sind, kann die Anforderungen an die Bildung von sog. Richtwerten erfüllen.
3. Später angebrachte einzelne Korrekturen der Bodenwert-Listen beeinträchtigen deren Eignung als Grundlage der Einheitsbewertung nicht, solange sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die korrigierten Werte tatsächlich unzutreffend sein könnten.
Normenkette
BewG §§ 83, 22 Abs. 3, §§ 27, 9
Tatbestand
Streitig ist, ob der für ein unbebautes Grundstück festgestellte Einheitswert im Wege der Fehlerbeseitigung herabgesetzt werden muss (§ 22 Abs. 3 Bewertungsgesetz -BewG-).
Der Kläger erwarb durch Vertrag vom 5. September 1983 das Grundstück Flurstück-Nr. … der Gemarkung … (M.). Das Grundstück liegt an der … (F-Straße) in der Stadt M., hat eine Fläche von 633 qm und ist im Kataster als Bauplatz ausgewiesen.
Durch Nachfeststellungsbescheid vom 9. Januar 1984 stellte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) den Einheitswert für das unbebaute Grundstück auf den 1.1.1984 auf 22.100 DM fest. Dem lag ein Bodenwert in Höhe von 35 DM/qm zugrunde. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 15. November 1995 ließ der Kläger um Überprüfung des Bodenwerts bitten und beantragte eine Herabsetzung des Einheitswerts auf den Betrag, der sich bei einem Wert von 30 DM/qm ergibt, im Wege der Fehlerbeseitigung.
Das FA lehnte dies mit Bescheid vom 22. November 1995 ab, da der Bodenrichtwert für die F-Straße zum 1.1.1964 35 DM/qm betrage.
Auf den Einspruch vom 24. November 1995 übersandte das FA der Prozessbevollmächtigten des Klägers Kopie einer maschinenschriftlichen Aufstellung über die Bodenwerte in M.. Auf drei Seiten sind Straßennamen in alphabetischer Reihenfolge mit zugeordneten Bodenwertbeträgen aufgeführt. Der F-Straße sind 35 DM/qm, der …. straße (H-Straße) von Nr. 01/02 bis Nr. 61/48 30 DM/qm, von Nr. 63/50 bis Nr. 131/108 35 DM/qm und von Nr. 133/110 bis Ende 40 DM/qm zugeordnet. Der … (W-Straße) sind bis „…” 40 DM/qm, bis … Straße 50 DM/qm und ab … straße 40 DM/qm zugeordnet. Nachdem die Prozessbevollmächtigte das ordnungsgemäße Zustandekommen solcher Richtwerte bezweifelt hatte u. a. mit der Begründung, der Ausweis von mindestens zehn verschiedenen Werten innerhalb einer Stadt sei ungewöhnlich und die Liste enthalte Straßennamen, die es 1964 noch gar nicht gegeben habe, teilte das FA über die Ermittlung der Bodenrichtwerte zum Stichtag 1.1.1964 folgendes mit:
Die Bodenrichtwerte zum 1.1.1964 seien vom damaligen Sachbearbeiter unter Mitwirkung der Mitarbeiter der jeweiligen Gemeindeverwaltung auf der Basis der zur Verfügung stehenden Kaufverträge ermittelt worden. Auf den Gutachterausschuss habe damals noch nicht zurückgegriffen werden können. Bei der überlassenen Kopie handele es sich um die aktualisierte Liste der Bodenrichtwerte nach dem Stand vom 1.1.1964.
Der Kläger ließ zur Sache geltend machen, wenn die H-Straße mit 30 DM/qm bewertet werde, könne die F-Straße als Nebenstraße nicht mit 35 DM/qm angesetzt werden. Die F-Straße sei auch nicht eine Seitenstraße der W-Straße. Sie sei zudem noch eine Einbahnstraße, die nur von der H-Straße her befahrbar sei.
Das FA vertrat die Ansicht, die F-Straße könne als Nebenstraße der H-Straße in dem mit 35 DM/qm bewerteten Abschnitt bezeichnet werden und sei daher gleich zu bewerten. Sie könne gleichzeitig auch als Nebenstraße der W-Straße angesehen werden, die in dem betreffenden Teil mit 50 DM/qm angesetzt sei.
Mit Entscheidung vom 5. September 1996 wies das FA den Einspruch zurück. Dagegen richtet sich die am 12. September 1996 bei Gericht eingegangene Klage.
Der Kläger hält die Einheitswert-Feststellung auf den 1.1.1995 für rechtsfehlerhaft, weil nach der eigenen Angabe des FA diejenigen Urkunden, die zur Wertfindung die notwendigen Angaben enthielten, vernichtet worden seien. Eine „aktualisierte” Bodenwertliste ohne Bezugnahme auf diejenigen Gründe, die zur Festlegung des jeweiligen Bodenwerts geführt hätten, genüge rechtsstaatlichen Anforderungen nicht. Da zumindest die zur Findung von Bodenwerten herangezogenen Kaufverträge noch vorhanden sein müssten, müsse darin Einsicht gewährt werden.
Mangels sachlicher Grundlagen zu den in den Bodenwertlisten festgehaltenen Werten sei die Richtigkeit der Bewertung nicht nachvollziehbar. Auch seien – entsprechend der Aussagen der vernommenen Zeugen – die durch Kaufvertr...