Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliche Betrachtung eines Gesamtvertragswerkes; Umqualifizierung negativer sonstiger Einnahmen bzw. vorab entstandener Werbungskosten als Anschaffungskosten zu Begründung eines Rentenstammrechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der steuerlichen Beurteilung eines Verbundrentenplanes werden die tatsächlichen Gegebenheiten zugrundegelegt, indem auf die sich aus einem Gesamtvertragswerk und seinem konkreten Vollzug ergebenden wirtschaftlichen Ergebnisse abgehoben wird.
2. Zur steuerlichen Auslegung einer zielgerichteten Kombination von Darlehens- und Rentenverträgen, die sich in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung partiell gegenseitig aufheben, so dass die als negative sonstige Einnahmen deklarierten Finanzierungsaufwendungen als Anschaffungskosten eines Rentenstammrechts zu beurteilen waren.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1, § 9; AO 1977 §§ 41, 39; BGB § 133
Nachgehend
Tatbestand
Der am … 1964 geborene Kläger (Kl) und die am … 1966 geborene Klägerin (Klin) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt werden. Die Kl haben zwei gemeinsame Kinder, den am … 1993 geborenen … und die am … 1995 geborene …
In zwei Geschäftsbesorgungsverträgen vom 14. November/1. Dezember 1997 (Bl. 41 ff. und Bl. 71 ff des Anlagenbandes) beauftragte der Kl die … … (nachfolgend: …) unter Erteilung entsprechender Vollmachten mit der „Errichtung eines privaten Rentenkonzepts auf der Basis eines kreditfinanzierten Rentenstammrechts (Verbund-Renten-Plan)”. Aufgrund dieser Aufträge schloß die … im Namen des Kl folgende Verträge ab:
- zwei – von den Kl in ihren Schriftsätzen als „Kaufverträge für ein Rentenstammrecht” bezeichnete – Rentenverträge mit der … (nachfolgend: …;
- Zwei Darlehensverträge mit der … nachfolgend: … über eine Darlehenssumme von jeweils … DM (Bl. 10 und Bl. 96 des Anlagenbandes);
- zwei Darlehensverträge mit der … ebenfalls über eine Darlehenssumme von jeweils … DM (Bl. 11 ff. und Bl. 68 ff. des Anlagenbandes).
In den beiden Rentenverträgen mit der … verpflichtete sich der Kl als „Rentennehmer” jeweils zur Entrichtung eines Einmalbeitrags in Höhe von … DM, die … zur Zahlung einer Jahresrente in Höhe von … DM ab dem 1. Dezember 1997. In den vorgelegten Rentendokumenten (Bl. 35 ff. und Bl. 97 ff. des Anlagenbandes) sind als „Rentenpersonen” der Kl, die Klin und jeweils eines ihrer beiden Kinder aufgeführt. In einer Anlage zu den Rentendokumenten ist jeweils angegeben, es handele sich um ein „einheitliches Rentenrecht”. Die Zahlung der vertraglich vereinbarten Rente an eine Rentenperson erfolge nicht unter einer aufschiebenden Bedingung (z. B. Tod einer Rentenperson oder des Rentennehmers). Laut einer weiteren Anlage zu den vorgelegten Rentendokumenten soll die vereinbarte Rente jeweils im Jahre 2012 partiell durch eine Kapitalabfindung in Höhe von … DM abgegolten werden. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Tod der längstlebenden Rentenperson soll die Jahresrente … DM betragen.
Die oben unter 2. aufgeführten Darlehen der … sollen nach den Angaben der Kl zur Entrichtung der in den beiden o.g. Rentenverträgen vereinbarten Einmalbeiträge verwandt worden sein. In zwei an den Kl gerichteten Schreiben der … vom 25. November 1997 (Bl. 9 und Bl. 95 des Anlagenbandes) ist ausgeführt, die Darlehen seien „auftragsgemäß” auf ein Konto der … im Hause der … überwiesen worden. Nach den Angaben der Kl sollen die beiden Darlehen der … bereits nach wenigen Tagen durch die oben unter 3. aufgeführten – von den Kl als „Policendarlehen” bezeichneten – Darlehen der … abgelöst worden sein. Die Darlehen der … wiederum sollen den Angaben der Kl zufolge „planmäßig” durch die aufgrund der Teilabfindung der Rentenansprüche im Jahre 2012 freiwerdenden Mittel getilgt werden. Soweit nach den vorstehend erwähnten Verträgen Zahlungen zwischen den Vertragspartnern des Kl zu erfolgen hatten, sollen diese nach den Angaben der Kl jeweils durch Verrechnung erfolgt sein.
Mit ihrem am 30. März 1998 beim Beklagten (Bekl) eingereichten Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung 1998 verlangten die Kl, negative sonstige Einkünfte in Höhe von insgesamt … DM gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 5 b EStG als Freibeträge auf ihren Lohnsteuerkarten einzutragen. Der Bekl lehnte die begehrte Eintragung im Bescheid vom 29. April 1998 jedoch mit der Begründung ab, es liege keine Totalüberschußerzielungsabsicht vor. Der von den Kl gegen den genannten Bescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Der Bekl führte in der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1998 aus, aus den abgeschlossenen Rentenverträgen sei zunächst nur der Kl rentenberechtigt, die anderen Rentenpersonen, nämlich die Klin und die gemeinsamen Kinder der Kl, würden dagegen erst nach dem Ableben des Kl einen Anspruch auf die Rentenzahlungen erwerben. Der Überschußprognose sei deshalb lediglich die mutmaßliche Lebensdauer des Kl als Beurteilungszeitraum zugrundezulegen. Die in dieser Zeitspanne anfallende...