rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für einen häuslichen Proberaum eines angestellten Orchestermusikers sind nur begrenzt als Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen für einen häuslichen Proberaum eines angestellten Berufsmusikers sind als Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zu qualifizieren und somit nur begrenzt als Werbungskosten abziehbar.
2. Die „büromäßige” Ausstattung ist kein Ausschließlichkeitskriterium dergestalt, dass nur dann ein häusliches Arbeitszimmer vorliegt, wenn es mit bürotypischen Einrichtungsgegenständen ausgestattet ist und für Bürotätigkeiten genutzt wird.
3. Das Einüben und Proben von Musikstücken eines angestellten Orchestermusikers ist als gedankliche Vorbereitung der außer Haus ausgeübten Haupttätigkeit anzusehen.
4. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal des „häuslichen Arbeitszimmers” umfasst nicht nur den vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelfall, sondern auch wesensmäßig gleichzuachtende Fallkonstellationen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Aufwendungen eines angestellten Berufsmusikers für einen häuslichen Raum, in dem er für seine Auftritte probt (sog. Übezimmer) unbegrenzt oder nach den Regelungen über die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur begrenzt als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind.
Der Kläger (Kl) ist als Orchestermusiker bei der X beschäftigt und bezieht aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielt er aufgrund der Teilnahme an Konzerten Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seine Ehefrau – die Klägerin (Klin) –, mit der er antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wird, erzielte in den Streitjahren als Hausfrau keine Einkünfte. Die Kl wohnten in den Streitjahren mit ihren 2003 bzw. 2005 geborenen Kindern A und B in einer angemieteten Wohnung in Z mit einer Wohnfläche von 80 qm. Einen Raum dieser Wohnung, der eine Fläche von 14,20 qm umfasste, nutzte der Kl in den Streitjahren als häusliches „Übezimmer”. Hierin befanden sich neben einem Schrank und einem Regal, in denen Noten, Musikbücher und kleinere Musikinstrumente bzw. Zubehör hierzu aufbewahrt wurden, weitere Musikinstrumente. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 9. Dezember 2009 eingereichte Skizze des Kl (vgl. Bl. 49 n – o der Rechtsbehelfsakte) sowie die weitere Schilderung der Klägerseite mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 21. Januar 2011 sowie vom 31. Januar 2011 Bezug genommen. In den Räumlichkeiten seines Arbeitgebers X verfügte er im sog. …-zimmer nur über einen Spind, in dem er seinen Frack aufbewahrt. Dieses Zimmer mit einer Fläche von 10 qm enthält vier Spinde (für insgesamt vier Musiker) sowie einen Tisch und mehrere Stühle und wurde vom Kl und seinen Kollegen zum Umziehen vor und nach den Konzerten genutzt. Außerdem wurde dort ein ein geringer Teil der Instrumente, die im Eigentum des Arbeitgebers standen, untergebracht und der Raum somit zugleich vom Arbeitgeber des Kl als Lager genutzt. Der vorstehende Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. Bl. 32 und Bl. 46 Finanzgerichtsakte).
Am 13. Oktober 2005 reichten die Kl ihre ESt-Erklärung für das Jahr 2004 beim Beklagten (Bekl) ein. Dabei machten sie bei den Werbungskosten des Kl aus nichtselbständiger Arbeit die Kosten für das „Übezimmer” als Werbungskosten geltend. Diese berechneten sie wie folgt:
14,20 qm/80 qm × 8.712,39 EUR (Miete) = |
1.546,45 EUR |
Reinigung |
100,00 EUR |
Einrichtung (Notenaufbewahrung, CD-Ständer, Mülleimer usw.) |
457,40 EUR |
Summe |
2.103,85 EUR. |
Mit Bescheid vom 30. Dezember 2005 setzte der Bekl die ESt der Kl für das Jahr 2004 fest. Dabei erkannte er Raumkosten in Höhe von 1.250 EUR sowie die geltend gemachten Aufwendungen für die Einrichtung des Übezimmers in Höhe von 457,40 EUR, insgesamt also 1.707,40 EUR als Werbungskosten an. Zur Begründung führte er aus, die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einschließlich dessen Ausstattung (jedoch mit Ausnahme von Arbeitsmitteln) könnten nur bis 1.250 EUR berücksichtigt werden, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung des Kl darstelle.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. Januar 2006 legten die Kl Einspruch ein. Zur Begründung ließen sie im Wesentlichen ausführen, sie teilten die Auffassung des Bekl, dass es sich bei dem Übezimmer um ein Arbeitszimmer handle, das unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) falle, nicht. Ein häusliches Arbeitszimmer diene vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. organisatorischer Arbeiten. Ebenso sei das Übezimmer des Kl nicht mit einer ty...