Entscheidungsstichwort (Thema)
Stille Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 13/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligter stiller Gesellschafter ist nicht als Mitunternehmer anzusehen, wenn er weder am Unternehmenswert noch am Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Firmenwerts beteiligt ist und ihm auch keine über das Recht, die Jahresabschlüsse einschließlich der Prüfungsberichte des Abschlussprüfers einzusehen, hinausgehenden Stimm- oder Widerspruchsrechte zustehen.
2. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung hat, spricht für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis.
3. Bei der Möglichkeit, die stille Einlage durch stehengelassene Gewinnanteile zu erbringen, handelt es um eine übliche Möglichkeit zur Einlageerbringung.
4. Eine Veranlassung der stillen Beteiligung durch das Arbeitsverhältnis lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Gewinnbeteiligung des Arbeitnehmers aus der stillen Beteiligung nicht auf einen bestimmten – absoluten und angemessenen – Prozentsatz der Einlageleistung begrenzt ist.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 8, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
1. Die Einkommensteuerbescheide für 2013 bis 2016 jeweils vom 10.04.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 08.06.2020 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einnahmen des Klägers aus einer stillen Beteiligung zu Einkünften aus Kapitalvermögen oder zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen.
Die Kläger wurden in den Jahren 2013 bis 2016 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist seit 19XX als A bei der B GmbH angestellt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Am 06.12.2010 schlossen der Kläger und die B GmbH einen „Gesellschaftsvertrag einer typischen stillen Beteiligung” mit dem nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:
[…] Die Inhaberin (Anm.: B GmbH) bietet ausgesuchten, besonders wichtigen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich als typisch stiller Gesellschafter für die Dauer ihrer Anstellung bei der Inhaberin zu beteiligen.
Durch den Gesellschafterbeschluss der Inhaberin vom heutigen Tag wurde beschlossen, dass u.a. der Kläger als typisch stiller Gesellschafter am Unternehmen der Inhaberin beteiligt wird. […]
Die Einlage des stillen Gesellschafters beträgt … EUR. Sie ist sofort fällig und geht in das Vermögen der Inhaberin über. Der stille Gesellschafter kann seine Einlage ganz oder teilweise durch Bareinzahlung, durch Stehenlassen von Tantieme- und sonstigen Vergütungsansprüchen und/oder durch Gutschrift der ihm künftig zufallenden Gewinnanteile leisten.
(1) Die stille Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet. […]
[…] |
§ 4 |
Rechtsverhältnis zwischen Inhaberin und stillem Gesellschafter |
(1) Der Inhaberin steht allein die Geschäftsführung des Unternehmens zu. Im Außenverhältnis ist sie alleinige Trägerin und Inhaberin des Unternehmens und wird durch die im Unternehmen geschlossenen Geschäfte allein berechtigt und verpflichtet.
(2) Der stille Gesellschafter ist am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Inhaberin nach dem Verhältnis seiner stillen Einlage zum Gesamtkapital und nach Maßgabe der §§ 6 und 7 dieses Gesellschaftsvertrages beteiligt. Das Gesamtkapital ist die Summe aus dem Stammkapital der Inhaberin und dem Gesamtbetrag aller stillen Einlagen. Dem stillen Gesellschafter ist bekannt, dass die Inhaberin weitere stille Gesellschafter hat bzw. künftig aufnehmen wird. Alle stillen Einlagen sollen insgesamt maximal 20 % des Gesamtkapitals betragen.
(3) Die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Verlust ist auf die Höhe seiner Einlage begrenzt. Sofern auf den stillen Gesellschafter Verluste entfallen, die die Höhe seiner Einlage überschreiten, nimmt er jedoch an einem künftigen Gewinn nur insoweit teil, als seine Gewinnanteile nicht zum Ausgleich von Verlustanteilen der Vorjahre zu verwenden sind, die aufgrund der vorgenannten Verlustbegrenzung nicht von ihm, sondern von der Inhaberin zu tragen waren. Seine künftigen Gewinnanteile mindern sich damit um die Anteile an Verlusten, die er aufgrund der Verlust...