Entscheidungsstichwort (Thema)
Stille Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers als eigenständige Erwerbsgrundlage
Leitsatz (redaktionell)
1. Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, sodass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen.
2. Im Streitfall sprach für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis besonders, dass die Ausgestaltung der stillen Beteiligung formell nach den üblichen gesetzlichen Kriterien erfolgt ist, den Arbeitnehmer in Höhe der Einlage und auch der aus vertragsgemäß nicht entnahmefähigen Gewinnanteilen gebildeten Rücklage ein Verlustrisiko traf und mit der vereinbarten Nachrangigkeit die stille Beteiligung überwiegend gesellschaftsrechtlich bzw. bilanzrechtlich motiviert war.
3. Aufgrund der Motivation, den Arbeitgeber bzw. sein Eigenkapital durch stille Beteiligungen zu stärken, waren im Streitfall auch die Renditemöglichkeiten der stillen Gesellschafter nicht aus dem Arbeitsverhältnis begründet. Die Rendite war nach Maßgabe objektiver Parameter eindeutig festgelegt und wurde in der verabredeten Form ausgezahlt bzw. auf den Kapitalkonten des Arbeitnehmers verbucht.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 4; HGB § 230
Tenor
1. Die Einkommensteuerbescheide 2013, 2014, 2015 und 2016 vom 17. April 2019, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2020 werden dahingehend abgeändert, dass die Gewinnanteile des Klägers aus der Beteiligung als typischer stiller Gesellschafter der A KG als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG anstatt als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG qualifiziert werden.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind verheiratet und wurden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
In den Streitjahren war der Kläger leitender Angestellter der A KG und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. Arbeitsvertrag als Projektleiter vom xx.xx.xxxx Blatt 241 Gerichtsakte –GA–; Geschäftsführervertrag vom xx.xx.xxxx, Blatt 245 GA). Er ist am xx.xx.20xx in den Ruhestand eingetreten.
Die A KG ist ein international tätiges […] Unternehmen. Sie ist die operative Zwischenholding der A-Gruppe und unterhält Tochtergesellschaften bzw. unselbständige Niederlassungen in Deutschland sowie in vielen anderen Ländern.
[…].
Der von der A KG mit Auslandsprojekten erwirtschaftete Anteil an der Gesamtleistung liegt im Zeitraum, der den hier streitigen Einkommensteuerbescheiden zugrunde liegt (Gewinnanteile für die Jahre 2013 bis 2015), zwischen 66 und 79 %. Neben dem europäischen Ausland wird eine Vielzahl an Auslandsprojekten in Drittländern ausgeführt, in denen ein zum Teil nicht unbeachtliches Sicherheits- oder politisches Risiko besteht. So hat die A-Gruppe im fraglichen Zeitraum Infrastrukturprojekte u.a. in den Regionen Afrikas, Asiens u.a. betreut. Mit diesen Geschäften ist aus unterschiedlichen Gründen ein erhebliches Ausfallrisiko verbunden. Eine Absicherung von Zahlungsleistungen und sonstigen Risiken des Auslandsgeschäfts ist aufgrund dieser Risiken bei der Leistungsabnahme von Beratungsleistungen praktisch ausgeschlossen. Es wurden daher auch zu keiner Zeit Hermessicherungen in Anspruch genommen. Aufgrund großvolumiger Infrastrukturprojekte – die Auftragsgrößen liegen bei mehreren Mio. Euro. – besteht bei der A KG ein erhebliches Klumpenrisiko. Im Zeitraum 2012 bis 2015 wurden durchschnittlich ca. 40% des Umsatzes mit Projekten mit einer Auftragsgröße von mindestens X Mio. EUR erbracht. Insbesondere mit Blick auf die Finanzierungsanforderungen und die Risikostruktur von Großprojekten kann die Unternehmensfinanzierung nur eingeschränkt im Wege der Fremdfinanzierung begegnet werden, da die Geschäftsbanken der A KG nur kurzfristige Finanzierungen gewähren. Aufgrund der Tätigkeit der A KG im Beratungsgeschäft bestehen auch keine substantiellen Vermögenswerte, welche die A KG als Sicherheit anbieten könnte. Die Banken können daher bei sich realisierenden finanziellen Risiken der A KG die kurzfristig laufenden Verbindlichkeiten jederzeit kündigen. Das risikobehaftete Geschäft schlägt sich auch in extrem schwankende...