Ausfall von stillen Beteiligungen im Rahmen der Tonnagebesteuerung
Hintergrund: Verluste aus stillen Beteiligungen an einer Schiffs-KG
Streitig war, ob Verluste der Kommanditisten aus stillen Beteiligungen an einer GmbH & Co. KG bzw. aus Gesellschafterdarlehen im Fall der Liquidation der Gesellschaft im Rahmen der Tonnagebesteuerung berücksichtigt werden können.
Die zwei Beteiligten X waren in 2012 als Kommanditisten und zugleich als stille Gesellschafter an der K-GmbH & Co. KG beteiligt. Diese betrieb 3 Schiffe und ermittelte ihren Gewinn nach der geführten Tonnage (§ 5a EStG).
In 2011/2012 wurden die Schiffe veräußert und die Gesellschaft liquidiert.
Die KG machte für 2012 einen Verlust in Höhe von 44 % der stillen Einlagen geltend, den sie als Sonderbetriebsausgaben ansetzte.
Das FA lehnte dies ab. Dem folgte das FG und wies die Klage mit der Begründung ab, der geltend gemachte Verlust sei als Teil des Aufgabegewinns bzw. -verlustes nach § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG mit dem nach der Tonnage ermittelten Gewinn abgegolten.
Entscheidung: Der Ausfall des Gesellschafterdarlehens bzw. der stillen Beteiligung wird von der Abgeltungswirkung umfasst
Der Verlust der X aus den stillen Beteiligungen ist im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5a EStG nicht zu berücksichtigen.
Einkünfte i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG
Die geltend gemachten Verluste gehören zu den Einkünften nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG, die der Tonnagegewinn mitumfasst (§ 5a Abs. 5 Satz 1 EStG). Denn die stillen Beteiligungen gehörten, wie Kapitalforderungen, zum Sonderbetriebsvermögen I der X bei der KG, da sie der Finanzierung des Erwerbs der Schiffe und damit unmittelbar dem Gegenstand des Handelsgewerbes der KG dienten. Dieser Verlust im Sonderbetriebsvermögen ist (ebenso wie der Verlust der Einlage in das Gesellschaftsvermögen) grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung realisiert, also beim Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft oder bei Beendigung der Gesellschaft. Dementsprechend sind die Verluste der stillen Gesellschafter aus der nur teilweisen Rückzahlung ihrer Einlagen i.R.d. Ermittlung des Gewinns nach § 16 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen.
Der Tonnagegewinn umfasst auch die Einkünfte i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG
Dass der Tonnagegewinn auch die Einkünfte nach § 16 Abs. 3 EStG umfasst, ergibt sich aus § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG. Damit sind die Verluste der X durch den nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn der KG abgegolten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG nehme nur auf "Gewinne nach Absatz 1" Bezug, nicht hingegen auf Gewinne nach § 5a Abs. 4a EStG, so dass § 16 EStG (isoliert) im Sonderbereich zur Anwendung kommen könne. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG sind Gewinne aus der Veräußerung des Betriebs i.S.d. § 16 EStG mit dem nach Maßgabe des § 5a Abs. 1 EStG nach der Tonnage ermittelten Gewinn abgegolten. Diese Abgeltungswirkung gilt umfassend. Daher können Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne nicht (soweit das Sonderbetriebsvermögen betroffen ist) i.R.d. Hinzurechnung von Sondervergütungen nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG Berücksichtigung finden.
Kein Widerspruch zur Hinzurechnung von Zinsen
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Zinsen auf Einlagen der stillen Gesellschafter bzw. Gesellschafterdarlehen nicht durch die pauschale Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG abgegolten sind, sondern dem nach der Tonnage ermittelten Gewinn gemäß § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG hinzugerechnet werden. Dies liegt vielmehr in der Systematik des § 5a Abs. 1 und Abs. 4a Satz 3 EStG begründet. Die Verluste aus der nur teilweisen Rückzahlung der Einlagen sind Teil der Einkünfte nach § 16 EStG, die gemäß § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG von dem nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn mitumfasst sind. Im Gegensatz dazu betrifft § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG die Ermittlung des laufenden Gewinns der Gesellschaft. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 5a Abs. 4a Satz 2 EStG ("der nach Absatz 1 ermittelte Gewinn") und der systematischen Stellung des § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG als Ergänzung zu § 5a Abs. 4a Satz 2 EStG (Hinzurechnung der Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG zu dem nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten und den Gesellschaftern nach Maßgabe des § 5a Abs. 4a Satz 2 EStG zugerechneten Gewinn).
Übereinstimmung mit dem Gesetzeszweck
Dieses Verständnis korrespondiert auch mit dem Zweck des § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG, Gestaltungen zu verhindern, bei denen Geschäftspartner und Arbeitnehmer von Personengesellschaften an diesen mit einem geringen Anteil beteiligt werden, um dadurch sämtliche Vergütungen (für die Überlassung von Wirtschaftsgütern) und Arbeitslöhne zu einem Bestandteil des nach der Tonnage ermittelten Gewinns zu machen und der regulären Besteuerung zu entziehen.
Hinweis: Ablehnung der Schrifttumsmeinung
Im Schrifttum wird z.T. vertreten, der Wertverlust der Beteiligung stehe in einem betrieblichen Zusammenhang mit den Erträgen aus der Beteiligung (Zinsen), die nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG dem Tonnagegewinn hinzuzurechnen sind. Der Ausfall einer Gesellschafterforderung sei folglich ebenfalls steuerlich zu berücksichtigen. Der BFH widerspricht dieser Auffassung. Entscheidend dürfte letztlich sein, dass § 5a EStG einen (niedrigen) Gewinn nach der Tonnage fingiert, mit dem auch ein Veräußerungs-/Aufgabegewinn abgegolten sein soll. Schließlich steht es dem Steuerpflichtigen frei, den Gewinn nach den allgemeinen Vorschriften zu ermitteln.
Das in dem vorliegenden Revisionsverfahren angefochtene Urteil des FG Niedersachsen v. 9.7.2020, 1 K 10038/15, EFG 2021 S. 537, entspricht im Wesentlichen dem vorhergehenden Urteil des FG Niedersachsen v. 6.9.2018, 1 K 10041/15, EFG 2019 S. 87. Die gegen dieses (frühere) Urteil gerichtete Revision führte allerdings zu keiner Sachentscheidung. Die Revision wurde als unzulässig verworfen (BFH v. 19.2.2019, IV R 35/18, juris).
BFH Urteil vom 20.04.2023 - IV R 20/20 (veröffentlicht am 09.06.2023)
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