Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederauffüllung der durch den Versorgungsausgleich gekürzten Rentenanwartschaft führt zu Sonderausgaben
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwar handelt es sich bei Zahlungen zur Wiederauffüllung der durch den Versorgungsausgleich gekürzten Rentenanwartschaft ihrer Rechtsnatur nach um Erwerbsaufwendungen.
2. Dennoch können solche Zahlungen nicht sofort als vorweggenommene Werbungskosten in Höhe des im Jahr des Rentenbeginns maßgebenden Prozentsatzes als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften berücksichtigt werden.
3. Da der Gesetzgeber Altersvorsorgeaufwendungen – ungeachtet der vollen Versteuerung der späteren Leistungen – den Sonderausgaben in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zugewiesen hat, handelt es sich vielmehr um einen dem Sonderausgabenabzug unterliegenden Beitrag.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 196x geborene Kläger (Kl) erzielt als angestellter Rechtsanwalt im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie daneben Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Von seiner früheren Ehefrau (B) wurde der Kl am 31. Dezember 2013 geschieden. Ehevertragliche Vereinbarungen hatten bis dahin nicht bestanden.
Der Kl hatte Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Baden-Württemberg (Versorgungswerk) in Höhe von monatlich 3.020,98 EUR erworben. Daneben bestand eine Anwartschaft aus einer betrieblichen Altersversorgung eines früheren Arbeitgebers des Kl.
Im Rahmen der Scheidung war am xx.xx.2013 eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung über den Versorgungsausgleich hinsichtlich einer betrieblichen Altersversorgung eines früheren Arbeitgebers des Kl geschlossen worden. Die Beteiligten haben darin vereinbart, dass insoweit kein Wertausgleich bei der Scheidung erfolgt. Andere Regelungen enthielt die Scheidungsfolgenvereinbarung nicht.
Im Rahmen der Scheidung wurde vom Amtsgericht X.-Familiengerichtam …2014 folgender Beschluss gefasst:
1. …
2. Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragstellers bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Versicherungsnummer 12…) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 994,59 Euro monatlich nach Maßgabe von § 37 Abs. 1 bis 6 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg, bezogen auf den 31.12.2013, übertragen.
Im Übrigen findet ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.
3. …
Aus dem Beschluss geht weiter hervor, dass der Kl in der Ehezeit bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 1.989,17 EUR monatlich erlangt hat. Dieses Anrecht ist nach § 10 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 994,59 EUR monatlich zu Gunsten der B auszugleichen (Bl. 42 ff. d.A.).
Aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts X -Familiengerichterfolgte im Wege des Versorgungsausgleichs eine Übertragung der Versorgungsanwartschaft des Kl in Höhe von 1.009,52 EUR monatlich (Erhöhung des Betrags von 994,59 EUR aufgrund der Anwartschaftsdynamisierung) in Form der internen Teilung an B.
Der Kl nahm nach § 37 Abs. 4 der Satzung des Versorgungswerks die Möglichkeit wahr, seine durch den Versorgungsausgleich gekürzte Rentenanwartschaft durch eine am 31. August 2014 geleistete zusätzliche Zahlung in Höhe von 75.725,54 EUR um die Hälfte wieder aufzufüllen. Der Kläger machte diesen Betrag als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, während der Beklagte (Bekl) die Zahlung der Vermögensebene zuordnete und den Betrag im Einkommensteuerbescheid 2014 vom 16. März 2016 als Beitrag zur Altersvorsorge berücksichtigte. Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kl mit Einspruch vom 29. März 2016 und begehrte die Berücksichtigung der Wiederauffüllungszahlung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Nachdem das Einspruchsverfahren zunächst im Hinblick auf das vor dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren X R 41/14 geruht hatte, setzte der Bekl das Verfahren fort. Der Kl begehrte unter Berücksichtigung der Urteile des BFH vom 23. November 2016 (X R 41/14, Bundessteuerblatt -BStBl – II 2017, 773 und X R 60/14, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV – 2017, 890) 88% seiner Zahlung, mithin 66.638,48 EUR, als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften nach § 22 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen.
Der Bekl änderte die ESt-Festsetzung 2014 aus anderen Gründen mehrfach, zuletzt mit Bescheid vom 30. Juni 2017. Mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2018 wies der Bekl den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage macht der Kl geltend, dass der BFH in seine...