rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsbescheid für Körperschaftsteuer 1978
Tenor
1. Der Haftungsbescheid vom 27.10.1987 und die Einspruchsentscheidung vom 1.4.1993 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Der Kläger (Kl) wendet sich gegen einen Haftungsbescheid über Körperschaftsteuer (KSt) 1978.
Durch Gesellschaftsvertrag vom 13. März 1974 wurde in Ludwigsburg die Fa. … GmbH gegründet. Vom Stammkapital in Höhe von … DM übernahm der Kl … DM; er wurde ab April 1974 zum Geschäftsführer bestellt. Ausweislich eines Handelsregisterauszugs beschloß die Gesellschafterversammlung am 13. Mai 1979 die Änderung der Fa. … (GmbH).
Am 4.7.1980 reichte die GmbH ihre KSt-Erklärung für 1978 beim Beklagten (das Finanzamt – FA–) ein.
Am 18.7.1983 wurde bei der GmbH eine Betriebsprüfung (Bp) durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, daß die GmbH am 1.3.1974 mit der Fa. … einen Vertretungsvertrag abgeschlossen hatte. Gemäß Art. 4.8 hatte der Hersteller … für die ersten 12 Monate dieses Vertrages den Vertreter (GmbH) zu unterstützen. Beginnend mit dem Monat, in dem dieser Vertrag gültig wurde (1.3.1974), hatte der Hersteller dem Vertreter für einen Zeitraum von 12 Monaten am 1. jeden Monats den Betrag von … DM zu bezahlen.
Für alle Provisionen, die dem Vertreter innerhalb der ersten 12 Monate zustanden, war der Gesamtbetrag aller monatlichen Anzahlungen abzuziehen und Provision war nur für den Betrag zu bezahlen, der die monatlichen Zahlungen überschritt. Art. 4.8 wurde am 26. April 1975 ergänzt. Die GmbH sollte bis Dezember 1975 monatlich … DM und danach monatlich … DM erhalten, aber alle Zahlungen nach dem 1. Dezember 1975 sollten von der GmbH zurückgezahlt werden, wenn die GmbH Gewinne erzielen würde. Die jeweilige Höhe der Rückzahlung sollte mit der GmbH abgestimmt werden.
Im Jahre 1975 trat die GmbH mit der Fa. … in Geschäftsverbindung.
Wie sich nach Einschätzung des FA ergibt, müßten mit dieser Fa. … folgende Verträge abgeschlossen worden sein:
29.08.1975 |
Vertretervertrag |
01.09.1975 |
Berichtigung des Vertrages |
06.09.1976 |
schriftliche Vereinbarung betreffend den Zeitraum 1.9.1977 bis 31.8.1978 |
25.11.1976 |
Telefonat bezügl. der Rückzahlungsbegrenzung. |
Nach Angaben der GmbH sind alle diese Vertragsunterlagen – einschließlich der Originaltelefonnotiz – nicht mehr vorhanden und eine Ersatzbeschaffung der Verträge ist nicht mehr möglich.
In einer persönlichen Unterredung an Amtsstelle am 29.10.1985 wurde seitens der GmbH vorgebracht, der Vertragsinhalt mit der Fa. … entspreche dem mit der Fa. … Allerdings würde die GmbH von der Fa. … keine Provisionen erhalten; vielmehr kaufe sie die Produkte der Fa. … und verkaufe diese mit Gewinnaufschlag weiter. Während die Gewinnentwicklung für den Betrieb von … Produkten stetig angestiegen sei (Marktpreis sehr günstig), sei für … produkte eine Gewinnphase nicht in Sicht gewesen, weil hier die Preise ca. 20 % über den Preisen vergleichbarer Waren gelegen hätten.
Als einziges Schriftstück reichte die GmbH eine Kopie der Telefonnotiz vom 25. November 1976 in englischer Sprache ein. Danach stimmten die Vertragspartner überein, daß die Rückzahlung an die Fa. … auf einen Zeitraum von 5 Jahren begrenzt werde, wenn die Fa. … die Zahlung nicht vorher verlange.
Die Fa. … hat an die GmbH folgende Zahlungen geleistet:
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bis 1978 |
1980 |
1976 10 × … DM = |
… DM |
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1977 11 × … DM = |
… DM |
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1978 2 × … DM = |
… DM |
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5 × … DM = |
… DM |
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3 × … DM = |
… DM |
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… DM |
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1980 1 × … DM = |
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… DM. |
Die von der GmbH erfolgsneutral als „Kundenanzahlungen” gebuchten Beträge wurden durch die Bp zum 31.12.1978 in Höhe von … DM dem Gewinn zugerechnet. Nach Auffassung des Prüfers lagen keinerlei Anzeichen vor, die eine Verbuchung als „Anzahlungen” rechtfertigen würden. Die Ap stimmte der Bildung einer Rückstellung in derselben Höhe mangels entsprechenden Grundes nicht zu. Der Prüfer stellte fest, daß 1980 die Geschäftsbeziehungen zur Fa. … eingestellt worden und Rückzahlungsansprüche irgendwelcher Art nicht geltend gemacht worden seien.
Am 26.6.1984 erging ein gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) entsprechend dem Bp-Bericht geänderter KSt-Bescheid für 1978.
Gegen den KSt-Bescheid wurde am 25.7.1984 Einspruch eingelegt.
Zwischenzeitlich war die GmbH durch Gesellschafterbeschluß vom 26.3.1984 aufgelöst und der bisherige Geschäftsführer und Kläger als Liquidator bestellt worden.
Einen Antrag auf Konkurseröffnung lehnte das Amtsgericht am 1.10.1984 mangels Masse ab.
Am 3.4.1985 wurde die GmbH im Handelsregister von Amts wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
Da die GmbH bzw. deren Geschäftsführer/Liquidator die fehlenden Originalunterlagen nicht vorlegen konnte und auch die Fa. … keinen Rückzahlungsanspruch geltend gemacht hatte, erließ das FA am 10.4.1985 die Einspruchsentscheidung, durch die der Einspruch gegen den KSt-Änderungsbescheid vom 26.6.1984 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Einspruchsentscheidung wurde wie folgt adressiert: ...