Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Weihnachtsgeld im Rahmen der Jahresgrenzbetragsermittlung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG; Rechtswirksamkeit eines auf die falsche Änderungsvorschrift gestützten Änderungsbescheids; Anwendbarkeit des § 70 Abs. 2 EStG bei nachträglichem Überschreiten des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
1. Bezieht ein im Laufe des Jahres das 18. Lebensjahr vollendendes Kind, welches sich ganzjährig in Ausbildung befindet, in diesem Zusammenhang am Ende des Jahres Weihnachtsgeld, ist dieses auf die Monate der Beschäftigung (hier: zu 1/12) umzulegen.
2. Ein auf die falsche Änderungsvorschrift gestützter Verwaltungsakt beeinflusst dessen Rechtsmäßigkeit nicht, wenn der Änderungsbescheid im Zeitpunkt seines Ergehens durch einen Änderungstatbestand materiell gedeckt ist. 3. Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage, ob § 70 Abs. 2 EStG auch in den Fällen, in denen der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nachträglich überschritten wird, mit Rückwirkung anzuwenden ist.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2, 6, § 70 Abs. 2; AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Überschreitung des Grenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach § 70 Abs. 2 EStG erst für den Monat berücksichtigt werden kann, in dem die Einkünfte und Bezüge den monatlichen Teil des maßgeblichen Grenzbetrags übersteigen.
Die am Januar 1980 geborene Tochter der Klägerin (Klin) befand sich im Kalenderjahr 1998 in einer Berufsausbildung zur Großhandelskauffrau. Ihre Ausbildungsvergütung betrug in den Monaten Februar bis August 1998 monatlich DM 1.099, im September DM 1.190 und ab Oktober 1998 DM 1.300. Zusätzlich erhielt sie im November 1998 Weihnachtsgeld in Höhe von DM 1.300.
Die Klin erhielt für ihre Tochter Kindergeld in Höhe von monatlich DM 220 für die Zeit von Februar bis Dezember 1998 einschließlich. Nachdem der Beklagte (Bekl) aufgrund einer Ausbildungsbescheinigung des Arbeitgebers der Tochter von der Höhe der monatlichen Ausbildungsvergütung sowie der Zahlung des Einmalbetrags in Höhe von DM 1.300 Kenntnis erhielt, erließ er am 11. März 1999 gegenüber der Klin einen Bescheid über die Änderung der Kindergeldfestsetzung, mit dem – gestützt auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) – wegen Überschreitens des anteiligen Grenzbetrags in Höhe von DM 11.330 das Kindergeld für die Monate Februar 1998 bis Dezember 1998 auf DM 0 festsetzte.
Der hiergegen von der Klin form- und fristgerecht eingelegte Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 1999. auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, vertrat der Bekl die Auffassung, unter Berücksichtigung von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von DM 14.043 und Berücksichtigung des anteiligen Arbeitnehmerpauschbetrags in Höhe von DM 1.854,84 habe die Tochter mit Einkünften in Höhe von DM 12.188,16 höhere Einkünfte, als es der maßgebliche Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von DM 11.330 zulasse, bezogen. Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO lägen vor, weil sich nachträglich herausgestellt habe, daß die für den Kindergeldanspruch maßgeblichen Einkünfte höher gewesen seien, als sie nach den dem Bekl bisher vorliegenden Unterlagen nachgewiesen gewesen seien.
Hiergegen erhob die Klin form- und fristgerecht Klage. Sie trägt vor, die Kindergeldfestsetzung des Bekl für die Monate Februar bis September 1998 sei rechtswidrig, weil eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 70 Abs. 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht für diesen Zeitraum, sondern erst ab 1. Oktober 1998 eingetreten sei. Nach R 178 des amtlichen Einkommensteuerhandbuchs 1998 (EStR) ergebe sich, daß nach dem Monatsprinzip Kindergeld nur für die Monate nicht gewährt werde, in denen der Grenzbetrag in Höhe von DM 1.030 überschritten werde. Dies sei im Jahr 1998 erstmals im Oktober geschehen. Soweit das Niedersächsische Finanzgericht (FG) im Urteil vom 19. August 1997 VII 604/96 Ki (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1998, 109) die Auffassung vertreten habe, nach § 70 Abs. 2 EStG habe im Fall einer während des Kalenderjahres eintretenden tatsächlichen – zu einer Einkommenserhöhung führenden – Änderung der Verhältnisse eine Korrektur der Kindergeldfestsetzung rückwirkend für das ganze Jahr zu erfolgen und dies damit begründe, daß der Kindergeldanspruch in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG unter der auflösenden Bedingung entstehe, daß die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht übersteige, treffe dies, wie dem Urteil des FG Düsseldorf vom 14. September 1998 18 K 9524/97 Kg zu entnehmen sei, nicht zu. Auch die Bestimmungen der §§ 32 Abs. 4 Satz 6, 71 und 66 Abs. 1 und Abs. ...