Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel. Gewinnrealisierung bei Grundstücksverkauf. Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein gewerblicher Grundstückshandel liegt vor, sofern mehr als drei Objekte innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren ab der Anschaffung veräußert werden. Bei der Bebauung von Grundstücken ist der Zeitraum zwischen der Errichtung der Objekte einerseits und ihrem Verkauf andererseits maßgeblich.

2. Der konkrete Anlass und Beweggrund für den Verkauf eines Grundstücks, im vorliegenden Fall die Bedrohung durch einen Nachbarn, sagt nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre und er insofern bereits beim Erwerb des Grund- stück eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht gehabt hatte.

3. Zwei in unterschiedlichen Heften des Grundbuchs verzeichnete Grundstücke sind auch dann zwei selbständige Zählojekte im Sinne der Drei-Objekt-Grenze, wenn beide Grundstücke aneinander grenzen und einer gemeinsamen Nutzung zugänglich sind und gemeinsam verkauft werden.

4. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks des Betriebsvermögens wird nicht bereits mit Abschluss des notariellen Kaufvertrags, sondern erst dann realisiert, wenn der Erwerber vereinbarungsgemäß wirtschaftlich über das Grundstück verfügen kann, was regelmäßig voraussetzt, dass Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr auf ihn übergegangen sind.

5. Die Voraussetzungen für eine Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO liegen vor, wenn das FA den ihm in vollem Umfang bekannten Sachverhalt rechtlich falsch gewürdigt hat, ohne dass die Fehlerhaftigkeit auf Vorsatz beruht.

6. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; AO § 174 Abs. 4, § 171 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.07.2016; Aktenzeichen X R 56-57/14)

BFH (Urteil vom 21.07.2016; Aktenzeichen X R 56/14)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Bescheids vom 28. Dezember 2011 wird die den Kläger betreffende Einkommensteuerfestsetzung für 1999 auf den Betrag herabgesetzt, der sich bei Zugrundelegung eines um 5.749 DM niedrigeren zu versteuernden Einkommens ergibt; die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) die bestandskräftig gewordene Festsetzung der Einkommensteuer (ESt) des Klägers für 1999 noch ändern durfte und ggf. ob die Behörde berechtigt war, einen bei der Veräußerung zweier Grundstücke erzielten Gewinn dabei als gewerbliche Einkünfte zu erfassen.

Die Beteiligten streiten seit einigen Jahren darüber, ob der seit 1984 mit seiner Familie in einem Eigenheim in X, … straße xx wohnhafte Kläger mit dem An- und Verkauf von Grundstücken in den Jahren 1996 bis 2002 einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat. Der einen solchen gewerblichen Grundstückshandel bejahenden Würdigung des FA liegen folgende Grundstücksgeschäfte des Klägers – eines Rechtsanwalts – zugrunde:

  • • Mit notariellem Kaufvertrag vom 14. Mai 1996 (Notariat Y xxxxx; vgl. Bl. 52 ff. der Bp-Akte Grundstückshandel) hat der Kläger eine Reihe von in X belegenen Grundstücken zu einem Gesamtkaufpreis von 615.000 DM erworben. Dabei handelte es sich neben einigen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen um die beiden folgenden, aneinander grenzenden Grundstücke:

    • • das im Grundbuch von X Band × Heft xx verzeichnete Grundstück Flst. Nr. xxxx … Allee xx Hof- und Gebäudefläche mit 1.130 qm; dieses Grundstück hat der Kläger von einer Erbengemeinschaft erworben, die aus b B und c C (letzterer als Alleinerbe nach d D) bestand;
    • • das im Grundbuch von X Band xx Heft xx verzeichnete Grundstück Flst. Nr. xxx … Allee yy Hof- und Gebäudefläche mit 924 qm; einen hälftigen Miteigentumsanteil (ME-Anteil) an diesem Grundstück hat der Kläger von der vorgenannten Erbengemeinschaft, den anderen ME-Anteil hat er von c C erworben.

    Mit Vertrag vom 30. Dezember 1998 (Notariat Z xxxxx; vgl. Bl. 63 ff. der Bp-Akte Grundstückshandel) hat er die beiden Grundstücke an die Bau GmbH (Bau GmbH), ein Wohnungsbauunternehmen, veräußert. Als Kaufpreis wurde unter Nr. 4 des Vertrags ein Betrag in Höhe von 1,2 Mio. DM festgelegt; dieser Kaufpreis war nach den dort getroffenen Regelungen nicht sofort, sondern erst dann fällig, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt waren, insbesondere eine Genehmigung zur Bebauung der Grundstücke mit insgesamt 9, jedenfalls aber mit 8 Reihen- oder Doppelhäusern vorliegt, nicht jedoch vor dem 20. Dezember 1999. Sollte – wie tatsächlich geschehen – eine Baugenehmigung lediglich für 8 Reihen- bzw. Doppelhäuser erteilt werden, sollte sich der Kaufpreis auf 1,1 Mio. DM reduzieren. Gemäß Nr. 11 des Vertrags sollte die Besitzübergabe erst...

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