Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerkürzung für Erwerb von Waren ostdeutscher Organgesellschaften westdeutscher Organträger; gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Umsatzsteuerkürzung nach § 26 Abs. 4 UStG in der ab 1.7.1990 geltenden Fassung i.V.m. Art. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Aufhebung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 18.07.1984 und zur umsatzsteuerlichen Begünstigung von Warenbezügen aus der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich Berlin (Ost) vom 30.06.1990 (BStBl 1990 I S. 329) ist auch für den Erwerb von Gegenständen zu gewähren, die von ostdeutschen Organgesellschaften westdeutscher Organträger erfolgt.

2. Für die Auslegung des § 26 Abs. 4 UStG, wann Gegenstände ihren Ursprung in der DDR haben, ist die VO (EWG) Nr. 802/68 vom 27.6.1968 (AblEG Nr. L 148/1 vom 28.06.1968) heranzuziehen.

3. Verwaltungsanweisungen, die eine Selbstbindung der Verwaltung bei Ermessensausübung herbeiführen, sind dabei von den Gerichten bei Prüfung fehler-, insbesondere willkürfreier Ermessensausübung zu beachten. Den Gerichten ist es grundsätzlich versagt, eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensentscheidung des FA zu setzen. In Fällen willkürlicher Ungleichbehandlung durch Verwaltungsanweisungen sind diese bei vergleichbaren Sachverhalten im Rahmen einer Ermessensreduzierung auf Null anzuwenden; für die generelle Ermessensausübung und für die idividuelle Ermessensausübung gelten insofern die gleichen Rechtsgrundsätze.

 

Normenkette

UStG § 26 Abs. 4; EWGV 802/68; FGO § 102

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin (Klin) für den Bezug von ... aus dem Beitrittsgebiet die Umsatzsteuerkürzung nach § 26 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) zu gewähren ist.

Die Klägerin (Klin) ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), die seit ... den... ...... ... zum Gegenstand hat (§ 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags vom 01.01.1981). Sie „übt derzeit keinen werbenden Geschäftsbetrieb aus” (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags). Die „wesentlichen Grundlagen des Betriebs” hat sie an die ... „verpachtet” (Vorbemerkung zu dem Gesellschaftsvertrag und § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags sowie „Pacht- und Betriebsüberlassungsvertrag” ebenfalls vom 01.01.1981). Die Klin und der Beklagte (Bekl) gingen für die Zwecke der Umsatzsteuerveranlagung übereinstimmend von einer zwischen der Kl. und der ... bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft aus, die Klin wurde danach als Organträger, die ... als Organgesellschaft behandelt.

Die ... bezog als ... von der ... ... Die ... montierte die ... ... – aus Einzelteilen, die vom ... ... und anderen westdeutschen Werken bezogen wurden. Die ... ist im Beitrittsgebiet i.S.d. Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 03.10.1990 (Kapitel I Art. 1 Abs. 1 Einigungsvertrag. Bundesgesetzblatt -BGBl- II 1990, S. 889) ansässig; die ... mit Sitz in ... hielt im Streitjahr 1991 Geschäftsanteile an der... zu 99,8 %, Stimmrechtsanteile zu 80 % und stellte ab 22.1.1991 den Geschäftsführer der ...

Die Klin kürzte für in der Zeit von 22.1.1991 bis 31.3.1991 durch die ... gelieferte ... ihre Umsatzsteuer (USt)-Schuld für 1991 um insgesamt ... DM auf der Grundlage des Art. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Aufhebung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 18.07.1984 und zur umsatzsteuerlichen Begünstigung von Warenbezügen aus der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich Benin (Ost) vom 30.06.1990 (VwV zu § 26 Abs. 4 UStG, BStBl I 1990, 329). Bei der Klin und bei der ... wurden Außenprüfungen (Ap) durchgeführt, die u. a. die USt für das Streitjahr umfaßten (Prüfungsanordnungen vom 08.10.1993 und Berichte vom 08.04.1994). Der Prüfer vertrat die Ansicht, die abziehbaren Vorsteuerbeträge „Kürzungsansprüche nach VwV” seien um ... DM zu kürzen, weil die ... organschaftlich im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in ein anderes Unternehmen mit Sitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vor dem Wirksamwerden des Einigungsvertrages eingegliedert sei und daher die ... nicht von einem im Beitrittsgebiet sondern in ... ansässigen Unternehmen geliefert worden seien (Tz. 7.03 des Berichts betreffend die ... und Tz. 4.03 des Berichts betreffend die Klin mit Bezugnahme auf die USt-Gruppenbesprechung 1993 vom 22.12.1993, OFD Stuttgart S-7526 A-40-St. 55, Top 3.11.). Der Beklagte (Bekl) folgte dem Vorschlag des Prüfers und änderte die festgesetzte USt mit Bescheid vom 06.06.1994.

Hiergegen legte die Klin Beschwerde ein; sie vertrat die Ansicht, Art. 2 VwV zu § 26 Abs. 4 UStG gebe ihr einen Anspruch, die USt-Schuld 1991 in Höhe des streitigen Betrags zu kürzen (Schreiben der Bevollmächtigten vom 09.06.1994 und vom 30.01.1995). Sie bezog sich insbesondere auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (Berlinförderungsgesetz 1990 -BerlinFG 1990-BerlinFG-) und auf die Verfügungen der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt/...

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