Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustverrechnung von Zwischengewinnen aus einem Investmentfonds. Verfassungsmäßigkeit des § 15b EStG. Steuerstundungsmodell i. S. d. § 15b EStG bei Anwendung des Abgeltungsteuersatzes
Leitsatz (redaktionell)
1. § 15b EStG ist bezogen auf das Tatbestandsmerkmal einer „modellhaften Gestaltung” verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt.
2. § 15b EStG ist auf Investitionen in einen Investmentfonds gemäß § 20 Abs. 2b EStG anwendbar.
3. Die Voraussetzungen für ein Steuerstundungsmodell i. S. d. §§ 20 Abs. 2b, 15b EStG liegen nicht vor, wenn ein Finanzprodukt nicht konzeptionell auf die Erzielung eines bestimmten Steuervorteils angelegt ist, sondern ein Steuerpflichtiger lediglich erkennt, dass der Erwerb eines am Markt existierenden Finanzproduktes ihm die Erzielung eines individuellen Steuervorteils ermöglicht.
4. Allein die Ausnutzung des Steuersatzgefälles durch die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes auf positive Erträge genügt nicht, um ein Steuerstundungsmodell i. S. d. § 15b EStG anzunehmen.
5. Liegt keine modellhafte Gestaltung i. S. d. § 15b EStG vor, ist eine Verlustverrechnung von Zwischengewinnen aus einem Investmentfonds nicht gem. § 20 Abs. 2b EStG ausgeschlossen.
Normenkette
EStG 2008 § 20 Abs. 2b, § 15b Abs. 2, 1, § 10d; InvestG § 2
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2008, zuletzt vom 12. Juni 2013, wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen geltend gemachten Zwischengewinne von 178.106 Euro festgesetzt wird. Die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
2. Der Bescheid über die Feststellung des gesonderten Verlustvortrags vom
3. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2012 wird aufgehoben.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
6. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, wie Zwischengewinne steuerlich zu behandeln sind.
Die Kläger sind zusammen veranlagte Ehegatten. Sie erwarben gemeinsam am 18. Dezember 2007 insgesamt 19.140 Anteile zu je 100 Euro Nennwert an dem zum 23. November 2007 aufgelegten X-Fonds (im Folgenden: X-Fonds) zum Kaufpreis von zusammen 2.102.529 Euro. Nach den Angaben des Verkaufsprospekts (Stand Oktober 2008) ist der Fonds ein Teilfonds eines Investmentfonds nach Luxemburger Recht. Die Erträge werden thesauriert. Der Teilfonds ist von unbegrenzter Dauer. Anlageziel soll sein, unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken der nationalen und internationalen Kapitalmärkte langfristig ein positives Anlageergebnis und eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Der Anlagehorizont eines Anlegers soll grundsätzlich langfristig ausgerichtet sein; der hohen Ertragserwartung soll der Anleger durch eine hohe Risikobereitschaft gerecht werden. Für Anleger in Deutschland sind Zahl-, Vertriebs- und Informationsstellen bei der Bank I und der Bank II eingerichtet. Die steuerlichen Hinweise im Verkaufsprospekt beziehen sich ausschließlich auf die Besteuerung in Luxemburg.
Laut einer Abrechnung über den Kauf von Wertpapieren vom 20. Dezember 2007 wurden den Klägern Zwischengewinne von 781.677,60 Euro berechnet. Am 21. Februar 2008 erwarben die Kläger weitere 4.300 Anteile im Nennwert von je 100 Euro zu einem Preis von 47.107 Euro. Die zu zahlenden Zwischengewinne beliefen sich laut Abrechnung vom 21. Februar 2008 dabei auf 178.106 Euro.
Die erste Abrechnungsperiode des X-Fonds endete zum 31. Oktober 2008. Zu diesem Termin wurden den Klägern Zinserträge von 113.114,26 Euro und 16.370,47 Euro Dividenden gutgeschrieben.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 saldierten die Kläger die gezahlten Zwischengewinne mit den Einnahmen aus Kapitalvermögen. Den negativen übersteigenden Betrag machten sie als Verluste aus Kapitalvermögen geltend. Mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid vom 25. Februar 2010 folgte das Finanzamt zunächst der Erklärung in diesem Punkt. Am 3. Mai 2011 erging sodann ein Änderungsbescheid, in dem die Zwischengewinne nicht mehr berücksichtigt wurden. Der hieraus resultierende verbleibende Verlustvortrag wurde zum Schluss des Veranlagungszeitraumes 2008 gesondert festgestellt.
Gegen beide Bescheide erhoben die Kläger form- und fristgerecht Einspruch, der mit Einsp...