Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Kindergeldrecht bei Beschäftigungsort und Wohnsitz in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten. Kindergeldanspruch bei nichtselbständiger Arbeit in Liechtenstein und Wohnsitz in Deutschland. Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Gemeinschaftsrecht der EU hat Anwendungsvorrang gegenüber dem einfachen Recht der Mitgliedstaaten (hier: Kindergeldanspruch nach EStG).
2. Das EWR-Abkommen findet seit Mai 1995 auch auf Liechtenstein Anwendung, so dass Liechtenstein bezüglich der VO (EWG) Nr. 1408/71 wie ein EU-Mitgliedstaat zu behandeln ist.
3. Eine in Liechtenstein angestellte und im Inland wohnende Lehrerin unterliegt nach Art. 13 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 ausschließlich den Rechtsvorschriften Liechtensteins, so dass sie nach dem Gemeinschaftsrecht ausschließlich Anspruch auf Familienleistungen nach liechtensteinischem Recht hat und folglich in Deutschland weder Kindergeld noch Teilkindergeld zu zahlen ist.
Normenkette
EWGV 1408/71 Art. 13 Abs. 2 Buchst. d, Abs. 1, 2a, Art. 73, 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h; EStG §§ 62-63, 65
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) durch eine Erwerbstätigkeit im Ausland ausgeschlossen ist.
Die verheiratete Klägerin ist seit dem Jahr als Lehrerin in der in angestellt. Durch Bescheid vom 22. Oktober 1996 bewilligte die beklagte Agentur f. Arbeit – Familienkasse – für den am geborenen Sohn der Klägerin ab April Kindergeld. Am hob die Familienkasse diese Bewilligung ab dem Monat Januar mit der Begründung auf, die Klägerin sei im Gebiet eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftraums (EWR) in einem Gehaltsverhältnis beschäftigt und unterliege den Rechtsvorschriften dieses Staates.
Hiergegen legte die Klägerin am mit der Begründung Einspruch ein, die Bewilligung von Kindergeld sei nach deutschem Recht möglich. Mit Änderungsbescheid vom half die Familienkasse im Rechtsbehelf teilweise ab und hob die Kindergeldfestsetzung nunmehr mit Ablauf des Monats mit der nämlichen Begründung auf. Durch Entscheidung vom wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück, da kein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG bestehe. Aufgrund der Berufstätigkeit der Klägerin in sei dieser EWR-Staat vorrangig zur Zahlung von Kindergeld verpflichtet. Dies gelte selbst dann, wenn die Klägerin einen Wohnsitz in Deutschland haben sollte. Nach § 70 Abs. 3 EStG sei die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides folgenden Monat April aufzuheben gewesen. Denn der Aufhebungsbescheid vom sei noch im bekannt gegeben worden.
Zur Begründung der am bei der Familienkasse angebrachten Klage lässt die Klägerin im Wesentlichen folgendes vortragen: Sie beabsichtige, noch mehrere Jahre über die Altersgrenze hinaus an der als Lehrerin tätig zu sein, bevor sie nach Deutschland zurückkomme. Ihr Sohn werde noch mehrere Jahre kindergeldberechtigt sein, da er erst die Hälfte seines Studiums absolviert habe. Die Klage sei begründet, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden habe, dass die von der Familienkasse angewandte Verordnung – VO – (EWG) Nr. 1408/71 nicht so ausgelegt werden dürfe, dass sie EWG-Erwerbstätige davon abhalte, ihr Recht auf Freizügigkeit auszuüben. Auch gehe die Familienkasse in der Einspruchsentscheidung zu Unrecht davon aus, dass sie nicht nachgewiesen habe, dass nach dem Recht des kein Anspruch auf gleichartige Familienleistungen bestünden. Dieser Nachweis sei im Verwaltungsverfahren durch Vorlage einer Mitteilung der Liechtensteinischen Familienausgleichskasse vom erbracht worden, nach welcher die Kindergeldzahlung für den Sohn habe eingestellt werden müssen, weil nach Recht Kindergeld über das 18. Lebensjahr hinaus nicht vorgesehen sei. Inzwischen sei ihrem Ehemann für den Sohn von der Agentur f. Arbeit Nürnberg ab Dezember Kindergeld bewilligt worden. Zu entscheiden sei nunmehr nur noch darüber, ob sie oder ihr Ehemann von April für den Sohn Anspruch auf Kindergeld habe. Sie beantrage deshalb, ihren Ehemann zum Verfahren beizuladen.
Die Klägerin beantragt,
die im Hilfsantrag bezeichneten Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin diejenigen und nur diejenigen Kindergelder zu bewilligen, die auf Zeiten entfallen, für die nicht ihrem Ehemann Kindergeld bewilligt werden sollte in den auf seine eigenen Anträge hin bei den Familienkassen und noch anhängigen und durch rechtskräftige Urteile noch nicht abgeschlossenen Verfahren, hilfsweise, die Bescheide vom sowie vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom zu ändern und für den Sohn bis Kindergeld zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in nach den deutschen Rechtsvorschriften keinen Anspruch auf Kindergeld habe. Nach den seit auf das a...