Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zuordnung des Zuschneidens sog. Coils durch Stahl-Service-Center zum Verarbeitenden Gewerbe
Leitsatz (redaktionell)
1. Die im Tatbestand strom- und energiesteuerrechtlicher Normen erfolgte Verweisung auf die Systematik der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2003) ist als eine grundsätzlich sachgerechte Typisierung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
2. Die Tätigkeit von Stahl-Service-Centern, die durch Zuschneiden (Längs- und/oder Querteilen, einschließlich einer teilweise erforderlichen Kantenbearbeitung) von auf eigene Rechnung erworbenen Stahlplatten (sog. Coils) mit Hilfe maschineller Anlagen nach den Vorgaben des jeweiligen Kunden Spaltband und Tafeln herstellen und verkaufen, ist nach den Kriterien der WZ 2003 als Handelsunternehmen und nicht als ein Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes einzuordnen.
3. Das HZA ist gehalten, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung bei jeder von der Eingruppierung nach der WZ 2003 abhängigen Entscheidung ohne Bindung an frühere Beurteilungen erneut zu prüfen.
Normenkette
EnergieStG § 55 Abs. 1; StromStG § 2 Nrn. 2a, 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Steuerentlastungsanspruch nach § 55 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) und in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach der in der genannten Vorschrift – über § 2 Nrn. 3 und 2a des Stromsteuergesetzes (StromStG) – für maßgeblich erklärten, vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003), in der Hauptsache eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, die dem Produzierenden Gewerbe und nicht etwa dem Handel zuzuordnen ist.
Die Klägerin ist als übernehmender Rechtsträger Gesamtrechtsnachfolgerin der auf sie verschmolzenen A GmbH (nachfolgend A). […]
A war im Streitjahr 2010 wie in den Jahren davor und auch danach in einer Branche tätig, die sich als Stahl-Service-Center versteht und sich auf das Abtafeln, Spalten und/oder Zuschneiden von in Form sog. Coils angelieferter Vormaterialien spezialisiert hat, die sie von Hüttenwerken erwirbt, um sie sodann mit Hilfe teurer maschineller Anlagen nach den spezifischen Bedürfnissen ihrer Kundschaft aus der metallverarbeitenden Industrie zu konfektionieren.
Bei den Coils handelt es sich um zu Bändern aufgewickelte flachgewalzte Erzeugnisse aus Eisen oder Stahl der Positionen 7208, 7209, 7210, 7219 des Harmonisierten Systems (mehrheitlich Warmband und oberflächenveredeltes Material, zu etwa einem Drittel auch kaltgewalzte Coils) mit einer Breite von jeweils mindestens 1000 mm und einem Gewicht zwischen 8 und 25 t (vgl. hierzu die als Anlage 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15. August 2017 vorgelegten Fotos). Diese Coils werden nach den Vorgaben der Kunden auf Längsteilanlagen durch Scherschneiden in Spaltband (mit einer Breite zwischen 10 und 1600 mm) umgearbeitet. Das so erzeugte Spaltband wird zu einem geringen Teil mittels einer Querteilanlage auf exaktes Maß zu rechteckigen Tafeln geschnitten, im Übrigen aber – abgesehen von einer Besäumung der Coils zur Gewährleistung einer einheitlichen Breite – ohne weitere Bearbeitung an die Kunden (u. a. Unternehmen der Automobilbranche) geliefert. Zur Veranschaulichung der von der Klägerin verkauften Produkte wird auf die von der Klägerin ihrem Schriftsatz vom 15. August 2017 als Anlage 6 beigefügten Fotos Bezug genommen.
Die Klägerin verwendet für ihre Tätigkeit drei Längsteilanlagen und eine Querteilanlage, deren Anschaffungskosten derzeit bei insgesamt mehr als Mio. EUR liegen und die jeweils aus mehreren Baugruppen bestehen (vgl. diesbezüglich die Auflistung auf Seite 7 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 15. August 2017).
Nach den – vom HZA nicht bestrittenen – Angaben der Klägerin lag der Anteil der von ihr nicht weiterverarbeiteten Waren – sowohl in Bezug auf das Gewicht als auch in Bezug auf den Umsatz – jeweils unter 5 %; die dabei erzielte Marge lag im Geschäftsjahr 2015/16 bei EUR/t [ca. 1/6 der bei einer Verarbeitung erzielten Marge]. In ganz geringem Umfang […] hat die Klägerin Stahl auch im Lohngeschäft bearbeitet; die dabei erzielte Marge lag im Geschäftsjahr 2015/16 bei EUR/t [war damit geringfügig über der Marge für die eigene Verarbeitung]. Den übrigen Umsatz macht die Klägerin mit Waren […] im Geschäftsjahr 2015/16 bei EUR/t. Mit diesem Teil ihrer Tätigkeit erzielte die Klägerin nahezu die gesamte Wertschöpfung. Die Relationen der Anteile der verschiedenen wirtschaftlichen Betätigungen an der Gesamttätigkeit der Klägerin hinsichtlich Umsatz und dabei erzielter Margen im Geschäftsjahr 2015/16 entspricht im Wesentlichen den Verhältnissen bei der A im Streitjahr 2010. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 12. Januar 2018 z...