rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer. Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten als Nachlassverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Abfindungszahlung, die der durch ein Testament der Erblasserin eingesetzte Erbe an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, ist unabhängig davon als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abzugsfähig, ob sich der Erbe mit seiner Erbberechtigung bei Fortsetzung des nachlassgerichtlichen Verfahrens letztlich auch ohne die Zahlung an den Erbprätendenten gegen dessen Widerstand hätte behaupten und durchsetzen können. Insoweit ist auch unerheblich, dass nach dem BFH-Urteil v. 4.5.2011 (Az.: II R 34/09) eine Abfindung, die ein weichender Erbprätendent aufgrund eines Prozessvergleichs vom zuletzt eingesetzten Alleinerben dafür erhält, dass er die Erbenstellung des Alleinerben nicht mehr bestreitet, beim Erbprätendenten nicht der Erbschaftsteuer unterliegt.
2. Der Begriff der Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG), ist weit auszulegen; die Kosten müssen jedoch durch den konkreten Vermögensanfall des Erben ausgelöst sein.
3. Der BFH hat die gegen das Urteil eingelegte Revision mit Urteil v. 15.6.2016 (Az.: II R 23/15) als unbegründet zurückgewiesen.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 Nr. 3 S. 1, Abs. 6 S. 1; BGB § 1922 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Bescheids vom 9. März 2012 und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2013 wird die Erbschaftsteuer auf Ableben der X auf 62.190 EUR herabgesetzt.
2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens; die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann das Finanzamt die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Erbenstellung vom Kläger vergleichsweise an einen Erbprätendenten gezahlte Abfindung bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) abgezogen werden kann.
Im 2010 ist die im März 1921 geborene X, geb. … (nachfolgend: Erblasserin), zuletzt wohnhaft in der A-Straße 1 in B, verstorben.
In einem notariellen und amtlich verwahrten Testament vom 13. Juni 2007 (Notariat B UR 1…; Anlage 1 zur Klageschrift vom 1. März 2013) hatte die Erblasserin den – mit ihr nicht verwandten – Kläger und dessen Ehefrau als unbeschränkte Erben zu gleichen Teilen eingesetzt. Die Eheleute haben dementsprechend mit Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2010 beim Nachlassgericht einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt, der sie als (Mit-)Erben zu je ½ Erbanteil ausweist.
Bereits zuvor hatte mit Schreiben vom 29. Juli 2010 der – zum finanzgerichtlichen Verfahren durch Beschluss vom 16. Dezember 2014 beigeladene – Finanzberater der Erblasserin, C, ebenfalls einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt und auf eine dem Nachlassgericht schon vorliegende, auf den 12. April 2010 datierte handschriftlich verfasste Urkunde (Anlage 2 zur Klageschrift vom 1. März 2013) hingewiesen, welche ihn als Alleinerben der Erblasserin ausweise.
In einer daran anschließend vor dem Notariat B – Nachlassgericht – unter NG 2 .. streitig durchgeführten Nachlasssache um die Erbenstellung nach der Erblasserin haben die Eheleute A und der Beigeladene am 9. Dezember 2011 einen Vergleich geschlossen, in dem der Beigeladene gegen eine Abfindungszahlung in Höhe von 160.000 EUR seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurückgenommen und gegenüber den Eheleuten A auf die weitere gerichtliche Geltendmachung seiner Erbenstellung verzichtet hat. Der Nachlassrichter hatte zuvor auf der Basis der ihm vorliegenden Erkenntnisgrundlagen dem Antrag der Eheleute A deutlich höhere Erfolgsaussichten eingeräumt als dem Antrag des Beigeladenen, allerdings darauf hingewiesen, dass er vor einer Entscheidung noch weitere Beweise erheben müsse. Wegen weiterer Einzelheiten des Verfahrens und dem Inhalt des Vergleichs wird auf die beigezogenen Akten der Nachlasssache (NG 2 ..; der Vergleich ist darin auf Bl. 687 bis 691 abgeheftet) B...