Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen der Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK bei Verbringung eines Bootes aus der Schweiz nach Deutschland ohne vorherige Zollabwicklung zur Vornahme von Reparaturarbeiten. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 17/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Begriff der Verwendung im Sinne des Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK ist restriktiv und insbesondere unter Berücksichtigung des Wirtschaftszollgedankens auszulegen (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.10.2019, 11 K 2256/17, ZfZ 2020 S. 139). Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK schließt nicht jede Verwendung und jeden Verbrauch aus, sondern nur Maßnahmen, die im Anschluss an die Zollschuldentstehung stattfinden und faktisch ein Eingehen der Waren in den unmittelbaren Wirtschaftskreislauf darstellen würden.
2. Wird ein Segelboot ohne vorherige Zollabwicklung aus der Schweiz ausschließlich zur Vornahme von Wartungsarbeiten kurzfristig in das Zollgebiet der Union ein- und danach sofort wieder ausgeführt, wird das Segelboot im Zollgebiet nicht als Beförderungsmittel genutzt und tritt es deshalb nicht in Konkurrenz zu unionsansässigen Vermietern oder Verkäufern von Booten, wären die im Zollgebiet der Union durchgeführten Arbeiten am Segelboot im Rahmen eines (bewilligten) Verfahrens der aktiven Veredelung unstreitig möglich gewesen, ohne dass für das Boot Einfuhrabgaben entstanden wären, so stellen die Einfuhr des Bootes und die Vornahme von Arbeiten an demselben keine das Erlöschen der Zollschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK ausschließende „Verwendung” dar.
3. Sind die Voraussetzungen des Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK erfüllt, so erlischt nach dieser Vorschrift nicht nur die Zollschuld, sondern aufgrund der in § 21 Abs. 2 UStG angeordneten sinngemäßen Anwendung auch eine etwa entstandene Einfuhrumsatzsteuer.
4. Die einzelnen Erlöschenstatbestände des Art. 124 Abs. 1 UZK sind unabhängig voneinander und stehen untereinander in keinem Rangverhältnis; insbesondere kommt es nicht auf eine zeitliche Reihenfolge der Verwirklichung einzelner Tatbestände an.
Normenkette
UZK Art. 79, 124 Abs. 1 Buchst. b, h, k, Art. 6; UStG § 21 Abs. 2
Tenor
1. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 28. März 2017 (…) und die Einspruchsentscheidung vom 18. September 2017 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, wendet sich gegen die Festsetzung von Einfuhrabgaben für ein Segelboot.
Der Kläger verbrachte das besagte Boot vom Typ „…”, das in der Schweiz mit dem Kennzeichen … auf ihn zugelassen war, am 28. März 2017 auf einem Bootsanhänger mit seinem PKW (Schweizer Kennzeichen …) aus der Schweiz kommend über den Grenzübergang beim Zollamt A-Autobahn nach Deutschland, ohne hierfür an der Grenze eine Zollabfertigung durchzuführen. Eine Zollstreife folgte dem Gespann und hielt es auf der Bundesstraße … in Fahrtrichtung B an. Zum Sachverhalt befragt, erläuterte der Kläger den Kontrollbeamten, dass er zur Firma XY in B unterwegs sei, um an dem Außenbordmotor fällige Service- und Wartungsarbeiten durchführen zu lassen. Die Beamten leiteten daraufhin gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren ein und setzten mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28. März 2017 (…) – ausgehend von einem geschätzten Zollwert des eingeführten Bootes von 21.000 EUR – Zoll in Höhe von 357,00 EUR und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 4.057,83 EUR fest. Nachdem der Kläger die Einfuhrabgaben in Höhe von 4.414,83 EUR bezahlt und eine Strafsicherheit in Höhe von 3.580,00 EUR hinterlegt hatte, setzte er seine Fahrt zur Firma XY, die sich ungefähr 2 km vom Grenzzollamt A-Autobahn entfernt befindet, fort. Dort ließ er folgende Arbeiten durchführen: Die Kielschwerthalterung wurde abgeändert und das Kielschwert wieder eingesetzt, der Motor wurde kontrolliert, die Kraftstofffilteranlage instandgesetzt und der Abgasschwamm erneuert; die Kosten für die Arbeiten beliefen sich auf insgesamt 1.173,70 EUR. Bis zur Wiederausfuhr des Segelbootes in die Schweiz, die ausweislich eines vom Zollamt A-Autobahn hierüber erstellten Beschaubefundes am 18. Mai 2017 erfolgte, wurde das Boot nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag des Klägers im Zollgebiet nicht anderweitig genutzt.
Gegen den Einfuhrabgabenbescheid ließ der Kläger am 31. März 2017 Einspruch einlegen und vortragen, dass die Einfuhr des Bootes im Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung einfuhrabgabenfrei möglich gewesen sei; d...