rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerungsverlust bei Verfall eines Knock-Out Zertifikats mit Stopp-Loss-Order
Leitsatz (redaktionell)
1. Knock-Out Zertifikate mit begrenzter und unbegrenzter Laufzeit, die als spezielle Terminkontrakte Aktien vertreten und es dem Anleger ermöglichen, wertmäßig überproportional an der Entwicklung des Basiswerts teilzunehmen, sind Termingeschäfte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG.
2. Der bereits bei Erwerb des KO-Zertifikats in Form der Stopp-Loss-Order gegenüber der Emittentin erteilte Verkaufsauftrag stellt den Differenzausgleich im Sinne von § 23 EStG dar.
3. Wird das Recht auf Differenzausgleich dadurch beendet, dass ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich vertraglich ausgeschlossen ist, stellt dies einen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbaren Vorgang dar und die Anschaffungskosten der Knock-Out-Zertifikate sind als Veräußerungsverlust steuerlich zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG 2008 § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 5; WpHG § 2
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Januar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2010 wird dahingehend geändert, dass bei den sonstigen Einkünften des Klägers ein weiterer Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.095 EUR berücksichtigt wird, so dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften insgesamt mit 104.945 EUR anzusetzen sind. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner den Klägern das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als … hauptsächlich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die Klägerin befand sich in Elternzeit. Neben geringfügigen selbständigen Einkünften sowie Einkünften aus Kapitalvermögen hatte der Kläger zudem in erheblichem Umfang Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Der Kläger erwarb am 23. September 2008 für sein Depot bei der X-Bank 1.000 Anteilsscheine des mit der Wertpapierkennnummer (WKN) ABC versehenen „Wertpapiers” mit der Bezeichnung „TURBOS O.END Z.. (D)” zum Kurs von 10,07 EUR pro Anteilsschein. Der Anschaffungspreis betrug einschließlich einer Provisionsgebühr in Höhe von 25,18 EUR insgesamt 10.095,18 EUR (vgl. Abrechnung der X-Bank über den Kauf von Wertpapieren vom 23. September 2008, Bl. 178 Finanzgerichts-FG-Akte). Dabei handelte es sich um ein sog. Knock-Out-(KO)-Zertifikat Typ „TurboShort” auf den Basiswert der Z-Stammaktie. Der Basiswert der Stammaktie betrug zum Zeitpunkt des Erwerbs ca. 286 EUR. Das Zertifikat berechtigte den Kläger bei Einlösung einen Abrechnungsbetrag zu verlangen. Es war neben einer sog. Knock-Out-(KO)-Schwelle mit einer zuvor greifenden sog. Stopp-Loss-Schwelle versehen. Bei Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle endete nach den Vertragsbedingungen der Emittentin die Laufzeit des Zertifikats automatisch.
Der Kläger hatte vorher ein entsprechendes Angebot, bestehend aus den „Endgültigen Angebotsbedingungen Nr. 20 … der D für Open End Turbo Long bzw. Short-Optionsscheine mit Stopp-Loss-Level bezogen auf den Kurs von Aktien / Indizes / Edelmetallen / Future Kontrakten …” (vgl. Bl. 62 ff FG-Akte), einer tabellarischen Aufstellung der Werte der angebotenen Optionsscheine sowie den Optionsscheinbedingungen (vgl. Bl. 88 ff FG-Akte) erhalten. Hieraus ergaben sich auch die Angebotswerte des Zertifikats ABC (vgl. „Tabelle 1 Angaben zu den Optionsscheinen”, Bl. 84 ff FG-Akte; auf die wegen des weiteren Inhalts Bezug genommen wird).
Gemäß § 1 (1) der Optionsscheinbedingungen gewährte die D GmbH, Y, (die „Emittentin”) dem Inhaber von Open End Turbo Long- bzw. Short-Optionsscheinen mit Stopp-Loss-Level, bezogen auf den Basiswert (…) das Recht (das „Optionsrecht”), nach Maßgabe dieser Optionsscheinbedingungen die Zahlung des Abrechnungsbetrages gemäß § 2 (1) zu verlangen. Basiswert war dabei die in der Angebotstabelle 1 und 2 als Basiswert angegebene Aktie der angegebenen Gesellschaft. Der Abrechnungsbetrag entspricht nach § 2 (1), vorbehaltlich der Regelung des § 4a, dem Betrag, um den der Abrechnungskurs den jeweils gültigen Basiskurs am Bewertungstag überschreitet (bei Long-Optionsscheinen) bzw. unterschreitet (bei Short-Optionsscheinen), multipliziert mit dem Bezugsverhältnis am Bewertungstag. Der Abrechnungskurs entspricht dem Referenzkurs des Basiswerts am Bewertungstag (§ 2 (2) der Optionsscheinbedingungen). Gemäß § 4a der Bedingungen entspricht der Stopp-Loss-Level am in der Tabelle 1 angegebenen Bewertungsstichtag dem in der Tabelle 1 angegebenen Stopp-Loss-Level. Weiter heißt es: „Sollte der Kurs des Basiswerts zu irgendeinem Zeitpunkt während der Laufzeit der Optionsscheine …(auch intraday) den Stopp-Loss-Level erreichen oder unte...