Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Übertragung von Versicherungsbeständen als verdeckte Gewinnausschüttung. leichtfertige Steuerverkürzung durch Nichterklärung. Körperschaftsteuer 1993. Gewerbesteuermessbescheid 1993
Leitsatz (redaktionell)
1. Überträgt eine Kapitalgesellschaft, die eine Versicherungsagentur betreibt, ihre Versicherungsbestände unentgeltlich auf ihren Alleingesellschafter, so liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.
2. Die Nichterklärung dieser verdeckten Gewinnausschüttung in den Steuererklärungen der Gesellschaft ist als leichtfertige Steuerverkürzung anzusehen.
Normenkette
KStG 1991 § 8 Abs. 3 S. 2; AO 1977 § 378 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt (noch) zum Erlass von Änderungsbescheiden befugt war, mit denen die unentgeltliche Entnahme von Versicherungsbeständen aus dem Vermögen der Klägerin als verdeckte Gewinnausschüttung behandelte wurde.
Die Klägerin ist eine GmbH i.L., deren Geschäftsgegenstand der Vertrieb, die Vermittlung, die Verwaltung und Betreuung von Versicherungsverträgen war. Die Klägerin war im Jahre 1988 von (A) und einem weiteren (später ausgeschiedenen) Gesellschafter gegründet worden; das Stammkapital betrug 50.000 DM; seit 1. Januar 1991 war A alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin.
Mit Vertrag vom 22. Januar 1993 veräußerte A seine Gesellschaftsanteile für einen Kaufpreis von 7.550.000 DM an die Firma (L OHG). Auf den Vertrag vom 22. Januar 1993 wird wegen der Einzelheiten der Anteilsveräußerung Bezug genommen (Vertragsakten). Die L OHG – die Rechtsform wurde zwischenzeitlich geändert – ist Teil einer Versicherungsgruppe, die ebenfalls Versicherungsagenturen betreibt. Sie war expandierend und erwarb neben der Klägerin noch weitere Versicherungsagenturen, wobei unterschiedliche rechtliche Gestaltungen gewählt wurden (Erwerb der Anteile – sog. share deal –, wobei die Gesellschaften teils bestehen blieben oder abgewickelt wurden oder Erwerb der Vermögensgegenstände, insbesondere der Versicherungsbestände – sog. asset deal –).
Nach dem Erwerb der Anteile an der Klägerin übernahm die L OHG die Versicherungsbestände der Klägerin (ihrer Tochtergesellschaft) entschädigungslos in ihr eigenes Vermögen. In ihrer Bilanz setzte die L OHG die erworbene Beteiligung nicht zum Kaufpreis von 7.550.000 DM, sondern nur zum (Nominal-)Betrag von 50.000 DM an; gleichzeitig hat die L OHG die von der Klägerin unentgeltlich übernommenen Versicherungsbestände mit einem Wert von 7.500.000 DM aktiviert.
A blieb (noch) bis 8. Dezember 1995 Geschäftsführer der Klägerin. Danach wurde die Geschäftsführung (L), dem (Haupt-)Gesellschafter der L OHG, übernommen. Mit Beschluss vom 19. Juli 1996 wurde die Klägerin aufgelöst und L zum Liquidator bestimmt.
In der Folge hat die Klägerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 10. August 2001 11 IN 85/01 mangels Masse abgelehnt worden ist.
Im Juli 1993 ging beim FA die gegenüber der Stadt B angezeigte Gewerbeabmeldung ein, wonach die Klägerin den gesamten Betrieb zum 1. Januar 1993 aufgegeben habe. Mit Schreiben vom Oktober und Dezember 1993 beantragte der (bisherige) Steuerberater der Klägerin für 1993 Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags sowie Herabsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlungen jeweils auf 0 DM, da die Klägerin im Jahr 1993 keine Aktivitäten entwickelt habe. Mit Schreiben vom Juli 1995 beantragte die Klägerin die Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags ab 1994 auf 0 DM, da die Klägerin ab dem Jahr 1994 keine Aktivitäten mehr entwickelt habe.
Die Klägerin reichte die Steuererklärungen für das Streitjahr 1993, die noch vom bisherigen Steuerberater erstellt und von A unterzeichnet wurden, am 27. Juni 1995 beim Beklagten (dem Finanzamt –FA–) ein. Die Steuererklärungen und der vorgelegte Jahresabschluss enthalten keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin ihre Versicherungsbestände unentgeltlich auf die L OHG übertragen hat, insbesondere enthält Zeile 27 des Körperschaftsteuererklärungsformulars („Verdeckte Gewinnausschüttungen”) keinen Eintrag. Das FA setzte die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag des Streitjahres entsprechend den Erklärungen gemäß § 164 AO 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Mit Bescheid vom 18. Juli 1997 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung im Körperschaftsteuerbescheid des Streitjahres aufgehoben.
Im Rahmen einer Außenprüfung bei der L OHG teilte der (dortige) Prüfer dem FA mit, dass die L OHG die Anteile der Klägerin (bereits) 1993 erworben und die originären Versicherungsbestände der Klägerin unentgeltlich in ihr eigenes Vermögen übernommen und abgeschrieben habe. Mit Bescheiden vom 15. Dezember 2000 setzte das FA daraufhin u.a. die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Eins...