Entscheidungsstichwort (Thema)
Hybridanleihen sind keine Finanzinnovationen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hybridanleihen sind nicht als Finanzinnovationen zu berurteilen, da keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist.
2. Ein Privatanleger ist daher außerhalb der Haltefrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG allein mit den vereinnahmten Zinscoupons und Stückzinsen steuerpflichtig
Normenkette
EStG 2008 § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nrn. 3, 4 S. 1, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung einer sog. Hybridanleihe.
Die Kläger (Kl) reichten am 05. November 2009 ihre gemeinsame Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr 2008 beim Beklagten (Bekl) ein. In der beigefügten Anlage KAP wurden neben anderen Erträgen Einnahmen aus festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von ./. 32.871 EUR (X Bank) sowie ./. 4.636 EUR (Depotverwaltung A.B. / Y Bank) erklärt (Bl. 13 bis 15 sowie 28 bis 30 der ESt-Akten des Bekl.
Die vorstehend genannten negativen Einnahmen stammen aus dem Ansatz einer Marktrendite nach der Veräußerung von Wertpapieren mit der Bezeichnung „8,62500 % Z AG Nachr. Anleihe …”. Hierbei handelt es sich um im Jahr 2005 ausgegebene sog. Hybridanleihen ohne feste Laufzeit. Der Zinssatz beträgt bis 29. Januar 2013 jährlich 8,625 %. Die Anlage kann von der Z AG zum 30. Januar 2013 gekündigt werden. Erfolgt keine Kündigung, erfolgt die Verzinsung nach dem Drei-Monats-Euribor plus einem Risikoaufschlag von 7,3 %, was im Zeitpunkt der Wertpapierausgabe einen ab Februar 2013 zu erwartenden Zins von etwa 9,8 % bedeutete. Die Anleihe hat keine Emissionsrendite, bei Kauf/Verkauf fallen Stückzinsen an. Der Anleger kann die Anleihe jederzeit an der Börse verkaufen, dabei können Kursgewinne bzw. Kursverluste entstehen.
Nach einer punktuellen Fallprüfung durch das Qualitäts-Team des Bekl (ab Bl. 31 der ESt-Akten des Bekl) kam dieses zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – die Marktrendite bei der Veranlagung nur noch dann angesetzt werden könne, wenn die Finanzinnovation keine Emissionsrendite habe und eine Trennung der Ertrags- und der Vermögensebene nicht ohne Schwierigkeiten möglich sei. Hierzu werde auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. Juli 2007, BStBl I 2007, 548 verwiesen. Vorliegend gebe es keine Vermengung von Ertrags- und Vermögensebene. Die Zinserträge lägen offen und ließen sich leicht ermitteln. Für die Anwendung der (negativen) Marktrendite sei deshalb kein Raum. Die Besteuerung der laufenden Kapitalnutzungsentgelte erfolge daher nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG), die Besteuerung der Stückzinsen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG. Die Verluste im Kapitalstamm, also auf der Vermögensebene, könnten nur innerhalb der einjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG geltend gemacht werden.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsauffassung kam der Bekl zum Ergebnis, dass bei den Kl Erträge aus festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von insgesamt 19.389 EUR anzunehmen seien. Den Gesamtverlust (Spekulationsverluste) nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ermittelte der Bekl nach einer Anhörung der Kl mit insgesamt 26.665 EUR (Bl. 72 bis 74 der ESt-Akten des Bekl).
Ergänzend wies er auf eine Kopie der „Sonstigen Hinweise zur Jahresbescheinigung” der X Bank hin (Bl. 75 der ESt-Akten des Bekl).
Im ESt-Bescheid 2008 vom 07. April 2010 berücksichtigte der Bekl in Anwendung der Ergebnisse des Qualitäts-Teams danach beim Kl Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 22.304 EUR. Diese ergaben sich aus den bereits genannten Einnahmen betreffend die „Erträge aus verzinslichen Wertpapiern” – Z-Anleihe – (X Bank: 10.503 EUR und Y Bank 8.886 EUR) sowie weiteren – zwischen den Beteiligten nicht streitigen – Einnahmen. Nach Abzug von – ebenfalls unstreitigen – Werbungskosten in Höhe von 699 EUR und dem Sparerfreibetrag in Höhe von 1.500 EUR setzte der Bekl im ESt-Bescheid die Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen mit 20.105 EUR an.
Bei den sonstigen Einkünften des Kl ging der Bekl von einem Ansatz in Höhe der – oben schon angesprochenen – negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 26.665 EUR aus, die im Bescheid zum 31. Dezember 2008 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt vom 07. April 2010 (Bl. 85 der EStAkten des Bekl) einbezogen wurden.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Einspruch vom 28. April 2010 wandten sich die Kl dagegen, dass die von den Banken X und Y ermittelten und bescheinigten, von ihnen unverändert in die Steuererklärung übernommenen Kapitalerträge bei der Veranlagung wesentlich erhöht und teilweise korrespondierend entsprechende Verluste aus privaten Veräußeru...