Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerentlastung bei der Verwendung von Erdgas, wenn die energetische Verwendung gegenüber der nichtenergetischen Verwendung nicht in den Hintergrund tritt
Leitsatz (redaktionell)
Wird Erdgas bei der Herstellung von Percarbonats nicht nur zu energetischen Zwecken (zu Heizzwecken) verwendet, sondern auch zu dem Zweck eingesetzt, Kohlendioxid zu erzeugen und diese chemische Verbindung für den weiteren Produktionsprozess und die Produktqualität nutzbar zu machen, ist die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 d) EnergieStG gegeben, ohne dass erforderlich ist, dass der energetische Verwendungszweck gegenüber dem nichtenergetischen Verwendungszweck in den Hintergrund tritt.
Normenkette
EnergieStG § 51 Abs. 1 Nr. 1d, § 1 Abs. 2 Nr. 2; StromStG § 2 Nr. 3
Nachgehend
Tenor
Soweit der Beklagte in dem Bescheid vom 3. März 2008 (GZ…) die von der Klägerin beanspruchte Entlastung für das in der Zeit vom 1. August 2006 bis zum 30. September 2007 in den PC1- und PC3-Anlagen in Y verwendete Erdgas abgelehnt und diese Entscheidung in der Einspruchsentscheidung vom 6. April 2011 (GZ 1 …) bestätigt hat, werden diese Verwaltungsakte aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die von ihr beantragten weiteren Vergütungen in Höhe von
xxx.xxx,xx EUR (für August bis Dezember 2006)
sowie xxx.xxx,xx EUR (für Januar bis September 2007 zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Energiesteuerentlastung für im Rahmen eines chemischen Verfahrens verwendetes Erdgas.
Die Klägerin ist ein in der Spezialchemie tätiger Konzern, der in einer Betriebsstätte in Y granuliertes Natriumpercarbonat (nachfolgend: Percarbonat) herstellt, welches u. a. als Komponente von Bleichmitteln in Haushaltswaschmitteln verwendet wird. Das Verfahren zur Herstellung dieser Substanz durchläuft mehrere Stufen. Zur Darstellung des Herstellungsprozesses hat die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt (HZA) eine sog. „Betriebserklärung für die Anlage zur Herstellung von Percarbonaten Standort Y” vorgelegt (Besteuerungsakte Bl. 9 ff.), auf deren Inhalt verwiesen wird. Bei der Herstellung des Percarbonats setzt die Klägerin versteuertes Erdgas in den sog. Anlagen PC1 und PC3 wie folgt ein (vgl. die vom HZA nicht bestrittene Darstellung im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 11. Juli 2011; FG-Akte Bl. 41 ff. einerseits und Bl. 107 andererseits): […]
In zahlreichen Schreiben hat die Klägerin für Zeiträume von August 2006 bis September 2007 jeweils Anträge auf Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) für in diesen Monaten bei der Herstellung von Percarbonat in Y verwendetes Erdgas gestellt. Die Vergütungsbeträge für in der sog. PC1- und in der PC3-Anlage verwendete xxx.xxx,xxx Megawattstunden (MWh) Erdgas hat sie für August bis Dezember 2006 mit xxx.xxx,xx EUR und für Januar bis September 2007 mit xxx.xxx,xx EUR, für den gesamten Zeitraum also mit insgesamt xxx.xxx,xx EUR errechnet. Die Einzelheiten ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle:
HZA-Akte Bl. |
Antragseingang |
Zeitraum |
Erdgasmenge (MWh) |
Vergütungsbetrag in EUR |
xxxx |
xxxxx |
xxxxx |
xxxxxx |
xxxxxxxxxx |
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Das HZA setzte die – vorliegend nicht streitbefangene – Vergütung für das zur Wasserstofferzeugung sowie das in der NHP3-Anlage verwendete Erdgas antragsgemäß fest, versagte jedoch die Entlastung für das in den Anlagen PC1 und PC3 verwendete Erdgas zunächst vorläufig und mit Bescheid vom 3. März 2008 (HZA-Akte Bl. 125 – 131) endgültig. Zur Begründung führte es aus, dass das Erdgas lediglich verheizt und zum Trocknungsprozess benötigt werde; weder das Erdgas noch Teile des „Rauchgases” (Abgas) gingen in das Produkt ein. Es fehle mithin an der zweiten Voraussetzung des in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG geregelten Entlastungstatbestands.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch (Schriftsatz vom 25. März 2008; Rb-Akte Bl. 11 – 15) wies die Klägerin darauf hin, dass das verwendete Erdgas sowohl als Wärmequelle als auch als Ausgangsstoff für die Gewinnung von CO2 eingesetzt werde, also einem doppelten Verwendungszweck diene. Sie hat zur Untermauerung dieses Vorbringens mit Schreiben vom 19. Juni 2009 ergänzende Unterlagen zur weiteren Erläuterung des stofflichen Verwendungszwecks des Erdgases vorgelegt (Rb-Akte Bl. 109 bis 137); auf deren Inhalt wird Bezug geno...