Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheides 2. Berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an einem Gesetz
Leitsatz (redaktionell)
Für einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheides fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn der Antrag mit Einwänden begründet wird, die ausschließlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides betreffen.
Bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes fordert der BFH in ständiger Rechtsprechung ein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den mit der Klage - Aktenzeichen II 346/94 - angefochtenen Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid für das Grundstück ... auf den 1. Januar 1994, mit dem der Antragsgegner den Einheitswert unter Berücksichtigung des Wegfalls der Ermäßigung von 20 % für Grundstückswerte in Berlin (West) belegener bebauter Grundstücke fortgeschrieben und den Grundsteuermeßbetrag entsprechend neu festgesetzt hatte. Der Antragsteller hält die gesetzlichen Grundlagen für die Änderung für verfassungswidrig, insbesondere gleichheitswidrig, und beantragt sinngemäß,
- die Vollziehung des Bescheides vom 4. Februar 1994 über den Einheitswert (Wertfortschreibung) und Grundsteuermeßbetrag (Neuveranlagung) auf den 1. Januar 1994 für das Grundstück ... in Berlin ... auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
- den Antrag zurückzuweisen,
weil er die gesetzlichen Vorschriften für bindend und verfassungsmäßig hält.
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat insgesamt keinen Erfolg.
Soweit mit dem Antrag die Aussetzung der Vollziehung der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages auf den 1. Januar 1994 begehrt wird, ist er unzulässig.
Aus § 69 Abs. 2 Satz 4 in Verbindung mit § 69 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz Finanzgerichtsordnung -FGO- sowie aus § 361 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung -AO- folgt, daß für den Fall der Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides auch der Folgebescheid auszusetzen ist mit der Folge, daß für einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung des Folgebescheides das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Antrag mit Einwänden begründet wird, die ausschließlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung im Grundlagenbescheid betreffen (Bundesfinanzhof -BFH- Urteil vom 29. Oktober 1987, VIII 413/83, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1988, 240 mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages ausschließlich mit Einwänden gegen die Verfassungswidrigkeit des gesetzlich geregelten Wegfalls der Berlinermäßigung hinsichtlich der Einheitsbewertung. Da diese Einwände lediglich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einheitswertbescheides als Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages begründen können, fehlt dem Antragsteller insoweit das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
Im übrigen ist der Antrag zwar zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 FGO kann das Finanzgericht die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind danach zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheides anhand des aktenkundigen Tatbestandes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des BFH vom 10. Februar 1967, III B 9/66, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung). Eine Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen kann auch bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des dem angefochtenen Verwaltungsakt zu Grunde liegenden Gesetzes gegeben sein (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH- Beschluß vom 25. Juli 1991, III B 55/90, BStBl II 1991, 876).
In einem derartigen Fall fordert jedoch der BFH in - vom Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 3. April 1992 - 2 BvR 283/92 - Steuerrechtsprechung in Karteiform FGO § 69 R 298) gebilligter - ständiger Rechtsprechung ein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Ein derartiges berechtigtes Interesse steht dem Antragsteller im Streitfall hingegen nicht zur Seite.
Die insoweit anzustellende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft wäre im Streitfall - entgegen der Auffassung des Antragstellers ...