rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV-Antrag an das Gericht. Drohen der Vollstreckung. Kindergeldanspruch des in Deutschland ansässigen Vaters für seine im Haushalt der Mutter in Polen lebenden Kinder
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FGO für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) an das FG sind gegeben, wenn bei Antragseingang die in der Mahnung gesetzte Zahlungsfrist verstrichen ist und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass vor der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen noch einmal eine weitere Zahlungsaufforderung oder Ähnliches ergehen würde.
2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob dem in Deutschland ansässigen und berufstätigen Vater Kindergeld für seine im Haushalt ihrer Mutter in Polen lebenden Kinder versagt werden darf, wenn die Festsetzung polnischen Kindergelds abgelehnt worden ist und die Mutter der Auszahlung des (deutschen) Kindergelds an den Vater zugestimmt hat.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 2, § 65; EGV 987/2009 Art. 60 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 2
Tenor
Die Vollziehung des Kindergeldbescheids für die Monate Februar 2014 bis April 2014 und Dezember 2014 bis Januar 2015 für die Kinder B…, C… und D… vom 23.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.06.2017 und des Änderungsbescheids vom 13.06.2017 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 7 K 3133/17 ausgesetzt.
Hinsichtlich der Streitzeiträume Januar 2014, Mai 2014 bis August 2014 und Februar 2015 bis Mai 2015 ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung –FGO– vorliegen, und ob dem Antragsteller Kindergeld für die Streitzeiträume zusteht.
Der am 07.03.1980 geborenen Antragsteller meldete am 20.03.2010 einen Betrieb Trockenbau sowie Holz- und Bautenschutz gewerberechtlich an (Bl. 8 Kindergeldakte –KGA–). Am 23.03.2010 meldete er sich unter der Anschrift E.-straße in F. an, von wo er sich am 16.12.2010 in die G.-straße in F. ummeldete. (Bl. 6 f. KGA). Am 27.09.2011 beantragte der Antragsteller erstmals Kindergeld, wobei er angab, verheiratet (und nicht dauernd getrennt lebend) zu sein und dass seine Ehefrau mit den Kindern in Polen lebe. Die Ehefrau stimmte der Gewährung des Kindergelds an den Antragsteller zu. Des Weiteren legte er die Kopie eines Wohnraum-Mietvertrags für den Mieter H. vor und ein an den Antragsteller gerichtete Schreiben vom 20.01.2011, nachdem der Vermieter keine Einwendungen gegen eine teilgewerbliche Nutzung der Wohnung erhebe (Bl. 13 KGA). Weiterer Schriftverkehr seitens des Vermieters wurde am 08.09.2011 und 13.03.2015 geführt (Bl. 95 ff. Gerichtsakte –GA–). Ferner legte der Antragsteller einen Bescheid einer polnischen Behörde vor, nach der diese der Ehefrau des Antragstellers Kindergeld wegen Überschreitens der Einkommensgrenze für den Zeitraum 01.11.2011 bis zum 31.10.2012 verweigerte (Bl. 41 f., 53 f. KGA). Mit Bescheid vom 06.02.2012 gewährte die Familienkasse dem Antragsteller Kindergeld für die (beiden seinerzeit geborenen) Kinder ab Mai 2010 (Bl. 58 KGA). Ab Januar 2013 zahlte die Familienkasse Kindergeld für die am 02.01.2013 geborene Tochter D… (Bl. 81 KGA).
Mit Wirkung vom 27.08.2014 meldete der Antragsteller sein Gewerbe ab (Bl. 107 KGA) und mit Wirkung vom 14.02.2015 bis 01.09.2015 wieder an (Bl. 116, 128 KGA). Vom 20.10.2014 bis 19.11.2014 ging er einer nichtselbständigen Tätigkeit nach (Bl. 108 f. KGA).
Am 13.10.2015 erließ das Finanzamt F. einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Einkommensteuerbescheid 2014, mit dem die Einkommensteuer ausgehend von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 0,– EUR festgesetzt wurde (Bl. 163 KGA). Am 05.10.2016 erließ das Finanzamt F. einen Einkommensteuerbescheid 2015, mit dem die Einkommensteuer nach dem Splittingtarif auf 0,– EUR (ausgehend von einem Gewinn aus
Gewerbebetrieb in Höhe von 9.596,– EUR und Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 7.253,– EUR) festgesetzt wurde (Bl. 172 KGA).
Am 13.07.2016 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, folgende Unterlagen vorzulegen (Bl. 141 KGA):
- Nachweis über den Bezug von Arbeitslosengeld für den Monat September 2014,
- Arbeitgeberbescheinigung für die Zeit ab Oktober 2014,
- Lohnsteuerbescheinigungen 2014 und 2015,
- Nachweis über die ausgestellten Rechnungen im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit von Januar 2014 bis August 2014 und Februar 2015 bis August 2015 und Nachweise über den Zufluss seiner Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit,
- Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015.
Nachdem darauf kein Eingang zur Akte der Antragsgegnerin gelangt war, hob diese mit Bescheid vom 26.09.2016 die Kindergeldfestsetzung ab Juni 2015 auf und kündigte in der Folge die Aufhebung zurückliegender Kindergeldfestsetzungen an...