Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschreibung von Forderungen gegen ausländischen Schuldner. Weiterbelieferung des säumigen Schuldners. Wahlrecht zur Teilwertabschreibung unter Geltung des BilMoG. AdV gegen Sicherheitsleistung
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind Forderungen mit einem über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehenden Ausfallrisiko behaftet, ist dem im Wege der Einzelwertberichtigung Rechnung zu tragen. Zweifelhafte Forderungen sind mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, uneinbringliche Forderungen sind abzuschreiben. Bei der Bewertung von Forderungen gegenüber im Ausland ansässigen Schuldnern können neben der Bonität zusätzliche Umstände zu berücksichtigen sein, die sich aufgrund einer erschwerten oder geminderten Realisierbarkeit der Forderung unter den besonderen Bedingungen im Ausland in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht ergeben.
2. Die Tatsache, dass ein Kunde trotz bestehender Zahlungsschwierigkeiten weiterhin beliefert wird, etwa, um ihm hierdurch die nötige Solvenz zu verschaffen, begründet grundsätzlich weder ein Indiz noch eine widerlegbare Vermutung für die Werthaltigkeit einer Forderung.
3. Unter Geltung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG v. 25.5.2009) besteht ein steuerliches Wahlrecht zur Teilwertabschreibung, das unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden kann, also auch dann, wenn handelsrechtlich eine Pflicht zur Bewertung mit dem niedrigeren Wert besteht.
4. Es ist nur dann geboten, die Aussetzung der Vollziehung (AdV) von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wenn die Realisierung des Steueranspruchs gerade durch die AdV gefährdet oder ernstlich erschwert wird. Dabei ist es Sache des FA, die für die Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte substantiiert vorzutragen und glaubhaft zu machen. Die pauschale Berufung darauf, dass die Firma der Steuerschuldnerin erloschen sei, reicht insoweit nicht aus.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, Nr. 1 S. 3; KStG § 8 Abs. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 253 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Sätze 2-3
Tenor
Die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2012 und 2013, jeweils vom 22. August 2016 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2017, wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 10 K 10003/18 insoweit ausgesetzt, als der Antragsgegner im Hinblick auf die Forderungen gegen die Q. in allen genannten Bescheiden verdeckte Gewinnausschüttungen sowie in den Bescheiden für 2012 eine Forderungsabschreibung von insgesamt mehr als 1.477.500 EUR und in den Bescheiden für 2013 eine Forderungsabschreibung berücksichtigt hat. Ausgesetzt werden insoweit die entsprechende Körperschaftsteuer bzw. der entsprechende Gewerbesteuermessbetrag. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Berechnung der auszusetzenden Beträge wird gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz i. V. m. § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Antragsgegner übertragen.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 13 % der Antragstellerin und zu 87 % dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
I.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag 2011 bis 2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2017.
Das entsprechende Hauptsacheverfahren, über das der Senat bisher nicht entschieden hat, ist unter dem Aktenzeichen 10 K 10003/18 anhängig.
Streitbefangen sind die Werthaltigkeit von Forderungen und die in Höhe der Wertabschreibung vorgenommene Qualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung.
Die Antragstellerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23. Oktober 1994 gegründet. Gesellschafter mit jeweils 50 % der Anteile waren bis 2015 B., gleichzeitig im Handelsregister eingetragener Prokurist der Antragstellerin, und C., gleichzeitig alleiniger Geschäftsführer der Antragstellerin. Ab 2015 war C. Alleingesellschafter. Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin war der Handel mit nicht genehmigungspflichtigen Rohstoffen und Produkten, vorwiegend mit chemischen und chemisch-technischen Erzeugnissen und der Ex- und Import, insbesondere mit Osteuropa und Russland. B. war gleichfalls Präsident und Hauptgesellschafter der 1990 gegründeten Q. mit Sitz in D., Russland.
Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung wurde per 30. Juni 2015 die Auflösung der Antragstellerin beschlossen und C. als Liquidator bestellt. Im Dezember 2017 wurde die Liquidation beendet, die Firma ist erloschen.
Die Antragstellerin erzielte ihre Erlöse hauptsächlich aus der Geschäftsbeziehung mit der Q.. In den Jahren 1994 bis 2002 bestand die Tätigkeit der Antragstellerin in dem Verkauf der chemischen und chemisch-technischen Erzeugnisse der Q. an verschiedene Unternehmen in Deutschland und in anderen europäischen Lände...