Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Streitwerts eines für mehrere Jahre wegen derselben Rechtsfrage geführten, sich auch noch auf andere Steuerjahre auswirkenden finanzgerichtlichen Verfahrens, wenn der tatsächliche Streitwert unter dem Mindeststreitwert liegt: Konkurrenz der Streitwerterhöhung nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG zum Mindeststreitwert nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind die Steuerbescheide mehrerer Jahre wegen derselben Rechtsfrage Verfahrensgegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens und wirkt sich das Urteil auch noch auf die Bescheide anderer Steuerjahre aus, bezieht sich die Erhöhung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG (auf das maximal Dreifache) auf den Durchschnitt der verfahrensgegenständlichen Jahre (Anschluss an BFH, Beschluss v. 17.8.2015, XI S 1/15). Die Streitwerterhöhung nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG kommt auch zur Anwendung, wenn die Berechnung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG zum Ansatz des Mindeststreitwerts (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG) führt (Anschluss an BFH, Beschluss v. 24.7.2018, VI S 12/17).
2. Liegt der tatsächliche Streitwert für mehrere Steuerjahre unter dem Mindeststreitwert von 1.500 EUR und ist der dreifache Betrag der durchschnittlich pro Steuerjahr streitigen Steuer im Sinne von § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG geringer als die Summe der insgesamt für die Streitjahre streitigen Steuer gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, findet eine Erhöhung aufgrund § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht statt. Es ist dann für das Verfahren der einfache Mindeststreitwert in Höhe von 1.500 EUR und nicht etwa der dreifache Mindeststreitwert anzusetzen (Abgrenzung zu BFH, Beschluss v. 24.7.2018, VI S 12/17).
Normenkette
GKG § 52 Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 4 Nr. 1
Tenor
Der Streitwert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um den Streitwert beim Vorliegen sowohl absehbarer Auswirkungen für die Folgejahre (§ 52 Abs. 3 Satz 2 GKG) als auch des Mindeststreitwerts (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG), insbesondere um die Interpretation des Beschlusses des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 24.07.2018 VI S 12/17 in diesem Zusammenhang.
Verfahrensgegenstand war die Einkommensteuer der Jahre 2012 bis 2016, dort jeweils die Frage, ob die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer abziehbar sind. Das beklagte Finanzamt half im Klageverfahren ab und hat gemäß Kostenbeschluss die Kosten zu tragen. Die steuerlichen Auswirkungen ergeben sich wie folgt:
2012 |
27 EUR |
2013 |
108 EUR |
2014 |
464 EUR |
2015 |
56 EUR |
2016 |
33 EUR |
Summe |
688 EUR |
Durchschnitt 137,60 EUR, gerundet 138 EUR
Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht Einigkeit, dass sich in den Folgejahren dieselbe Rechtsfrage stellt und der Klageantrag daher offensichtlich absehbare Auswirkungen auf noch zu erlassende, auf künftige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, nämlich die Bescheide zur ESt der Jahre ab 2017, hat, und zwar derzeit ohne absehbares zeitliches Ende.
Streit besteht hinsichtlich der Berechnungsmethode.
Die Klägerin beantragt, den Streitwert auf 4.500 EUR festzusetzen, das FA hingegen auf 1.500 EUR.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist zulässig.
Für die gerichtliche Streitwertfestsetzung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Höhe des Streitwerts nicht nur auf der Grundlage eines einfachen Rechenvorgangs ermittelt werden kann und zwischen den Beteiligten umstritten ist, oder Fälle der vorliegenden Art in der Rechtsprechung noch nicht entschieden sind.
Beide Möglichkeiten liegen vor.
III.1.a)
Im Beschluss vom 17.08.2015 XI S 1/15 hat der BFH ausgesprochen, dass wenn mehr als ein Jahr verfahrensgegenständlich ist, die Erhöhung (auf das maximal Dreifache) sich auf den Durchschnitt der verfahrensgegenständlichen Jahre bezieht.
b)
Im Beschluss vom 24.07.2018 VI S 12/17 hat der BFH ausgesprochen, dass einer Erhöhung nicht entgegensteht, dass der Mindeststreitwert anzusetzen ist.
c)
Beiden Grundsätzen schließt sich das Gericht an.
2.
Es gibt danach zwei denkbare Berechnungsmethoden, die sich durch die Reihenfolge der Rechenschritte unterscheiden:
Berechnungsmethode a):
Summe Streitwerte ESt 2012 bis 2016 (fünf Jahre) 688 EUR, Durchschnitt 137,60 EUR, gerundet 138 EUR, damit ist der dreifache Betrag im Sinne von § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG 414 EUR.
Da der dreifache (Durchschnitts-)Betrag im Sinne von § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG mithin geringer ist als die Summe gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, findet eine Erhöhung aufgrund § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht statt. Es bleibt bei 688 EUR.
Dieser Betrag als Ergebnis der Berechnung gemäß § 52 Abs. 3 GKG ist gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG auf 1.500 EUR zu erhöhen (sog. Mindeststreitwert).
Berechnungsmethode b):
Der Streitwert gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG von 688 EUR ist gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG auf 1.500 EUR zu erhöhen. Sodann gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG Erhöhung auf das maximal Dreifache, mithin auf 4.500 EUR.
3.
Das Gericht ist der Auffassung, dass die unter 2.a) genannte Methode die zutreffende ist.
a)
Dies folgt v. a. aus der Struktur des Gesetzes. Die Regelungen des § 52 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GKG sind ...