rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von 50 % der entstandenen Säumniszuschläge bei nicht zeitnaher oder zwar zeitnaher, aber nicht antragsgerechter Entscheidung über von zahlungswilligen und -fähigen Ehegatten gestelltem Aufteilungsantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Beantragen zahlungswillige und zahlungsfähige Ehegatten die Aufteilung fälliger Einkommensteuer, führt das Finanzamt die Aufteilung jedoch nach einem anderen als dem beantragten Aufteilungsmaßstab durch, ergeht erst nach mehreren Jahren im Klageverfahren ein Aufteilungsbescheid auf Basis des von den Ehegatten begehrten Aufteilungsmaßstabs und werden nunmehr die rückständigen Einkommensteuerbeträge sofort bezahlt, so sind die bis zur Zahlung entstandenen Säumniszuschläge infolge sachlicher Unbilligkeit zu 50 %, nicht aber vollständig zu erlassen. Es ist insoweit nicht sachgerecht, wenn über einen Aufteilungsantrag nicht zeitnah oder zwar zeitnah, aber nicht antragsgerecht entschieden wird (Anschluss an FG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.4.1986, II (III) K 83/83, EFG 1986 S. 433).
2. In diesem Fall (siehe 1.) sind die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben, so dass der begehrte Erlassanspruch nicht lediglich auf ermessensfehlerfreie Bescheidung des Erlassantrags begrenzt, sondern auf einen gebundenen Erlass gerichtet ist (insoweit gegen FG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.4.1986, II (III) K 83/83, EFG 1986 S. 433).
Normenkette
AO §§ 5, 227, 240 Abs. 1, §§ 268, 269 Abs. 1, § 273 Abs. 1, § 277; FGO § 101 S. 1, § 102; GG Art. 6 Abs. 1
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides über die Ablehnung des Antrags auf Erlass der Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1991 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 vom 06.10.2016 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 14.02.2017 und 28.02.2017 verpflichtet, weitere Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 29.352,90 EUR sowie zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 2.664,00 EUR, insgesamt 32.016,90 EUR (29.352,90 EUR + 2.664,00 EUR) zu erlassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 2/3 den Klägern und zu 1/3 dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Erlass von Säumniszuschlägen (Sz.) zur Einkommensteuer 1991, die im Zeitraum von Fälligkeit der Einkommensteuer bis zum Erlass eines antragsgemäßen Aufteilungsbescheides nach § 273 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) bzw. Zahlung der aufgeteilten Steuerforderungen entstanden sind.
Die Klägerin und ihr am 01.12.2013 verstorbener Ehemann wurden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer 1991 veranlagt.
Gegen die zuletzt ergangene, den Einsprüchen des Erblassers und der Klägerin teilweise stattgebenden Einspruchsentscheidung vom 24.10.2006 führten diese beim hiesigen Finanzgericht (FG) ein insoweit erfolglos gebliebenes Klageverfahren zum Aktenzeichen 8 K 3289/06. Mit rechtskräftigem Urteil des FG vom 07.06.2011 ist die Klage wegen u.a. Einkommensteuer 1991 vom 8. Senat abgewiesen worden.
Mit Schreiben vom 03.04.2007 beantragten der Erblasser und die Klägerin die seinerzeit rückständige Einkommensteuer 1991 auf der Grundlage des in § 273 AO geregelten Aufteilungsmaßstabs zum Zwecke der Beschränkung der Vollstreckung aufzuteilen. Mit Verwaltungsakt vom 22.06.2007 lehnte der Beklagte dies ab. Den dagegen gerichteten Einspruch vom 11.07.2007 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.08.2011 als unbegründet zurück. Die beim hiesigen Senat unter dem Aktenzeichen 4 K 4091/11 anhängige Klage wurde vom Erblasser und der Klägerin zurückgenommen und das Verfahren durch Beschluss im Jahr 2011 eingestellt.
Hierauf beantragten der Erblasser und die Klägerin mit dem beim Beklagten am 24.08. 2011 eingegangenen Telefax vom 23.08.2011 erneut die Aufteilung der Steuerschuld zwischen beiden Eheleuten nach §§ 268 ff. AO unter Hinweis darauf, dass die Aufteilung der Einkommensteuer nebst Annexsteuern nach Maßgabe des § 273 Abs. 1 AO erfolgen solle. Am 01.12. 2011 erließ der Beklagte einen Aufteilungsbescheid, mit dem die Aufteilung entgegen dem Antrag nicht nach § 273 Abs. 1 AO, sondern nach § 270 Abs. 1 AO erfolgte. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2012 als unbegründet zurückgewiesen. In dem hiergegen beim 4. Senat anhängigen Klageverfahren (Az. 4 K 4249/12) erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 20.11.2014 zugesagt hatte, einen geänderten Aufteilungsbescheid mit der Maßgabe zu erlassen, dass die Aufteilung nach Maßgabe...