Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung des Vorsteuerabzugs für einen durch Gutschrift abgerechneten Altgoldankauf infolge des auf Veranlassung der Steuerfahndung Jahre später vom Gutschriftempfänger eingelegten Widerspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus einer Gutschrift, die ihre Wirkung als Rechnung verloren hat, kann kein Recht zum Vorsteuerabzug mehr nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG begründet werden. § 14 Abs. 2 S. 3 UStG kann nicht im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend ausgelegt werden, dass die Vorschrift nur für den Fall einer unrichtigen Gutschrift gelten sollte und ein Widerspruch gegen eine zutreffende Gutschrift deshalb keine Wirkung hat (vgl. BFH, Urteil v. 23.1.2013, XI R 25/11).
2. Ein Widerspruch gegen den Steuerausweis in einer Gutschrift ist also auch dann wirksam, wenn die Gutschrift sowohl den zivilrechtlichen Vereinbarungen entspricht als auch die Umsatzsteuer zutreffend ausweist (im Streitfall: auf Veranlassung der Steuerfahndung von einem in einen Umsatzsteuerbetrug mit Altgold einbezogenen Gutschriftsempfänger nachträglich gegenüber dem gutgläubigen Ankäufer von Altgold erklärter Widerspruch nach § 14 Abs. 2 S. 3 UStG).
3. Eine Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG sieht das UStG nicht vor; nach der BFH-Rspr. (vgl. BFH, Urteil v. 19.5.1993, V R 110/88) ist hinsichtlich der Wirksamkeit des Widerspruchs auf die regelmäßige Verjährung nach dem BGB abzustellen. Diese beträgt nach § 195 BGB drei Jahre und beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
4. Der Widerspruch gegen die in Gutschriften enthaltenen Steuerausweise wirkt auch für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers, der die Gutschriften erstellt hat, erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem er erklärt wird.
Normenkette
UStG 2012 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 2 Sätze 2-3, § 17 Abs. 1-2; BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Jahren 2009 bis 2014 ein Einzelunternehmen, das die Handelsvermittlung von Brennstoffen, Erzen, Metallen und technischen Chemikalien zum Gegenstand hatte. Sie stellte unter ihrer Firma B… „Ankauf-Gutschriften” über Goldlieferungen für Herrn C… aus, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 124 – 130 der Streitakte). Es handelte sich um Gutschriften vom 29. Januar 2009, 06. Februar 2009, 09. Februar 2009, 10. Februar 2009 (dreimal) und 11. Februar 2009 mit einem Umsatzsteuerausweis von insgesamt 49.964,18 EUR und Bruttobeträgen von insgesamt 312.933,53 EUR.
Gegen Herrn C… wurden ab 2009 steuerstrafrechtliche Ermittlungen durchgeführt, in deren Verlauf davon ausgegangen wurde, dass er in Zusammenhang mit Goldlieferungen in zum Vorsteuerabzug nutzbaren Abrechnungen sich als leistender Unternehmer habe ausweisen lassen, obwohl er nach eigener Aussage nur Bote für Hintermänner gewesen sei. Ausweislich einer Leseabschrift über die Vernehmung des Herrn C… vom 21. August 2009 (durch das Finanzamt D…, Herrn E…) habe C… bekundet, auch bei der Klägerin, die seinerzeit noch F… hieß, Gold angeliefert zu haben. Hier habe die Überprüfung des Goldes länger gedauert. Er habe dort auch das Geld erhalten, es sei ihm vorgezählt worden und er habe es einem Herrn G… übergeben. Bei der Klägerin sei Herr G… im Laden dabei gewesen. Er, der Herr C…, wolle nochmals besonders herausstellen, dass er lediglich einen Botendienst ausgeübt habe. So hätte er das Gold nicht an andere mögliche Kunden verkaufen können. Er habe keine Verfügungsmacht wie ein Eigentümer gehabt.
Die Klägerin hatte die in den Herrn C… erteilten Gutschriften vom 29. Januar 2009 bis 11. Februar 2009 offen ausgewiesenen Umsatzsteuer von insgesamt 49.964,18 EUR in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für 2009 als abzugsfähige Vorsteuern geltend gemacht. Eine vom Finanzamt für N… bei ihr für den Zeitraum 01. Januar 2009 bis 31. Juli 2010 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung führte ausweislich einer dazu gefertigten Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – vom 15. Dezember 2010 zu keinen Abweichungen gegenüber den angemeldeten Besteuerungsgrundlagen. Nach einem Aktenvermerk der Umsatzsteuer-Sonderprüferin vom 15. Dezember 2010 hätten die Prüfungsfeststellungen ergeben, dass sämtliche Goldlieferanten, die eine größere Menge Gold eingeliefert hätten (ab 20.000 EUR), ihre Umsätze nicht versteuert hätten. Gegen alle würden Ermittlungen durch die Steuerfahndung geführt werden. Hintermänner hätten offenbar gut organisiert Menschen mit Finanzproblemen als Unternehmer installiert und die Umsatzsteuer hinterzogen. Zu klären gewesen sei, ob es für die Klägerin erkennbar gewesen sei, dass der Gutschriftenempfänger des Geldes auch der tatsächlich liefernde Unternehmer gewesen sei. Die Klägerin habe in einem Gespräch vom 02. Dezember 2010 und in einem Schreiben vom 03. Dezember 2010 sehr emotional dargelegt, dass sie sich aus ihrer Sicht hinreichend übe...