rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzweigung von Kindergeld für ein stationär untergebrachtes behindertes Kind an den Sozialleistungsträger. Glaubhaftmachung eigener Aufwendungen des Kindergeldberechtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Frage, ob Kindergeld gemäß § 74 EStG an den Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, der für die Kosten der stationären Unterbringung des behinderten Kindes aufkommt, kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund der Kindergeldberechtigte seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

2. An die Glaubhaftmachung von Aufwendungen der Eltern für die Betreuung des Kindes sind dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie auch sonst gelten, wenn das Gesetz von Glaubhaftmachung spricht. Erforderlich ist danach, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die behaupteten Tatsachen spricht. Pauschale Angaben über angeblich entstandene Kosten, die noch nicht einmal auf ihre Plausibilität hin überprüfbar sind, genügen diesen Anforderungen nicht.

3. Es kann angemessen sein, die Kosten des Verfahrens der beklagten Behörde vollständig aufzuerlegen, wenn diese wegen mangelnder Sachaufklärung die Nichtspruchreife der Sache allein zu vertreten hat.

 

Normenkette

EStG 2002 § 74 Abs. 1, § 66 Abs. 1; FGO § 135 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.04.2011; Aktenzeichen III B 140/10)

BFH (Beschluss vom 15.04.2011; Aktenzeichen III B 140/10)

 

Tenor

Der Bescheid vom 17. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abzweigung von Kindergeld für den Zeitraum Dezember 2006 bis April 2007.

Der Kläger trägt als zuständiger Sozialhilfeträger im Rahmen der seit dem 1. Januar 2005 gewährten Eingliederungshilfe u.a. die Kosten der stationären Unterbringung des behinderten Kindes C, geboren am X.X. 1982, in Höhe von mindestens 1.500 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 8. November 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Abzweigung des Kindergeldes für C aus dem Anspruch des Kindesvaters B. Dieser Antrag ging noch im November 2006 bei der Beklagten ein.

Im Rahmen der daraufhin von der Beklagten durchgeführten Anhörung des Kindesvaters machte dieser Aufwendungen für C in Höhe von 2.450 EUR im Jahr 2006 geltend, wobei die Aufwendungen größtenteils geschätzt wurden. Im Einzelnen wird auf die als Blatt … in der Verfahrensakte befindliche Aufstellung Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 17. April 2007 zweigte daraufhin die Beklagte mit Wirkung vom 1. Mai 2007 ab das hälftige Kindergeld in Höhe von 77 EUR an den Kläger ab.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2007 Einspruch ein. Zur Begründung machte der Kläger geltend, Kindergeld habe spätestens ab Dezember 2006 abgezweigt werden müssen, ohne dabei die Höhe der Abzweigung anzugreifen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2007 hob die Beklagte die Abzweigung ab dem 1. August 2007 vollständig auf. Zur Begründung führte sie aus, der Kindesvater habe seine finanziellen Aufwendungen für die persönliche Betreuung von C an Wochenenden und im Urlaub im Jahr 2006 schriftlich und glaubhaft dargelegt. Daraus ergebe sich ein Betrag, der weit über dem im Jahr 2006 gezahlten Kindergeldbetrag liege. In Ausübung des Ermessens erfolge nach Klärung des Sachverhaltes deshalb die vollständige Aufhebung der Abzweigung ab dem 1. August 2007.

Mit seiner am 27. Juli 2007 fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren nach hälftiger Abzweigung im Streitzeitraum weiter. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Abzweigung ab dem der Antragstellung folgenden Monat vorzunehmen sei. Es handele sich im Streitfall auch nicht um eine Ermessensentscheidung, da die Beklagte sich durch ihre Entscheidung der Abzweigung ab Mai 2007 bereits gebunden habe.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 17. Juni 2010 den Kindesvater zum Verfahren beigeladen. Dieser hat schriftsätzlich geltend gemacht, für C werde stets ein persönliches Zimmer im Einfamilienhaus der Familie vorgehalten (werden) und zu keinem anderen Zweck verwendet. Im Übrigen habe es vor dem jetzt streitigen Zeitraum nie Veranlassung gegeben, Belege zum Nachweis von Aufwendungen zu sammeln.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid des Beklagten vom 17. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das hälftige Kindergeld für C in Höhe von insgesamt 385 EUR für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 an den Kläger auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Im Hinblick auf die vom Kindesvater dargelegten Aufwendungen habe sie, die Beklagte, unter Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens die Abzweigung ab 1. August 2007 komplett aufheben müssen. Von daher...

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