rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung des Entleihers von Arbeitnehmern. gerichtliche Überprüfung des Ermessens. Arbeitgebereigenschaft bei internationalen Sachverhalten. gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. bedingt vorsätzliche Hinterziehung von Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ermessensentscheidung des FA, ob und wen es als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen will, ist gerichtlich nur i. R. d. § 102 Abs. 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar. Prüfungsmaßstab hierfür ist allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung).
2. Wer in internationalen Sachverhalten als inländischer Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug verpflichtet ist, ist allein nach den Regelungen des EStG und der AO zu entscheiden. Das DBA hat lediglich die Funktion, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, legt den in einem der beiden Vertragsstaaten ansässigen natürlichen oder juristischen Personen aber keine steuerlichen Pflichten auf.
3. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist gewerbsmäßig, wenn sie nicht nur gelegentlich erfolgt, sondern auf eine gewisse Dauer angelegt ist und eine auf die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtete selbstständige Tätigkeit darstellt.
4. Bedingt vorsätzliche Hinterziehung von Lohnsteuer liegt vor, wenn der Steuerpflichtige sich über die Steuerrechtslage im Unklaren ist und es ihm möglich erscheint, dass die von ihm zu verantwortenden Lohnsteueranmeldungen bei zutreffender Anwendung der Steuergesetze unrichtig oder unvollständig sind, und er die mögliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Lohnsteueranmeldungen billigend in Kauf nimmt.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1, 6, § 38 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; AO § 191 Abs. 1, §§ 5, 12 S. 1, § 370 Abs. 1; StGB § 15; FGO § 102 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte die Klägerin als Entleiherin von Arbeitnehmern einer Fa. B…, Inhaber C…, mit Sitz in D… (Republik Polen) wegen rückständiger Lohnsteuern 2002 und 2003 etc. gemäß § 42 d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes – EStG – in Haftung nehmen kann.
Herr C…, wohnhaft in E…-straße, D… (Republik Polen), war Inhaber eines Einzelunternehmens mit der Bezeichnung „B…”, welches sowohl in Polen als auch in Deutschland Installationsarbeiten auf den Arbeitsgebieten „Elektro und Wasser, Abwasser, Heizung” durchführte. Auf gezielte Nachfrage seitens des Finanzamtes F… als damals bundesweit zentral zuständigem Finanzamt für ausländische Werkvertragsunternehmen (siehe zur damaligen Gesetzeslage Rätke, in: Klein, AO, 13. Aufl. § 20 a Rz. 12 m. w. N.) wurde das Unternehmen durch dessen Geschäftsführer Diplom-Ingenieur G…, H…-straße, I… mit Anmeldebogen vom 19. September 2002 beim Finanzamt F… steuerlich angemeldet (StNr.: …). Als Sitz des Unternehmens wurde die Stadt D… angegeben, als Anschrift, unter der das Unternehmen in Deutschland zu erreichen sei: c/o J…, H…-straße, I…. Außerdem wurde angegeben, dass das Einzelunternehmen Auftragnehmerin eines Werkvertrages bezüglich der Durchführung von Installationsarbeiten sowie Heizungsmontage in der Zeit vom 12. August bis zum 24. Oktober 2002 (evtl. Verlängerung) sei. Auftraggeberin sei die Klägerin, die damals noch wie folgt firmierte: K… GmbH, L…-straße, 81671 I….
Bereits am 23. Mai 2002 wurde zwischen der Klägerin als Auftraggeberin und der Fa. B… mit Sitz in D… als Auftragnehmerin ein schriftlicher Vertrag geschlossen, der mit der Bezeichnung „Rahmenwerkvertrag” überschrieben ist (Bl. 000003 ff. der Akte des Finanzamtes F… zu § 48 b EStG) und folgenden Inhalt hat:
„1. Vertragsgegenstand
Der Auftragnehmer (AN) übernimmt in eigener Regie und Verantwortung die Ausführung des Werkvertrages.
1.1 Der Auftraggeber (AG) beauftragt den AN zur Durchführung von Montage- bzw. Bauleistungen gemäß dem in der Anlage beigefügten Teilleistungsvertrag und dem in der Anlage beigefügten Leistungsverzeichnis.
2. Verpflichtungen des AN
2.1 AN verpflichtet sich zur termingerechten Abwicklung dieses Auftrages.
2.2 AN legt die Aufenthaltsgenehmigung und die Arbeitserlaubnisse für ausländische Arbeitnehmer vor.
2.3 AN ist verpflichtet, den zu der Leistung erforderlichen Personaleinsatz so zu sichern, dass die Arbeiten plangemäß durchgeführt werden können.
2.4 Die Arbeiten werden qualitativ einwandfrei und fachmännisch laut Dokumentation und Auflagen vom AG durchgeführt.
2.5 AN wird dafür sorgen, dass von seinem Personal die an dem jeweiligen Leistungsort geltenden Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften ebenso wie die dort geltenden örtlichen Bestimmungen eingehalten werden.
2.6 Die vom AG zur Verfügung gestellten Materialien sind nach dem Grundsatz sparsamster Wirtschaftsführung zu verwenden; der Verbrauch ist auf Verlangen nachzuweisen.
2.7 Die vom AN zu vertretenden Qualitätsmängel werden kostenlos vom AN behoben. Qualitätsmängel und deren Behebung werden im Bautageb...