Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe von Unterlagen zur Umsatzsteuersonderprüfung bei Mandanten
Leitsatz (redaktionell)
1. Das FA kann zur Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung bei einem Einzelunternehmer von dessen ehemaligen steuerlichen Berater, einem Rechtsanwalt, gem. § 97 i. V. m. § 104 Abs. 2 AO die Herausgabe der wegen offener Honorarforderungen zurückgehaltenen Ausdrucke der Konten der Finanzbuchführung des Einzelunternehmens für den Prüfungszeitraum und der dazugehörigen Journale oder Primanoten sowie der Summen- und Saldenlisten verlangen.
2. Gegen die Aufforderungen zur Herausgabe der Unterlagen bestehen keine Bedenken, wenn unter Verweis auf § 147 Abs. 6 Satz 2 AO alternativ die Möglichkeit eingeräumt wird, die benötigten Daten durch Überlassung eines entsprechenden mit den Daten ausgestatteten Datenträgers zuzuleiten.
Normenkette
AO § 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 104 Abs. 2, § 147 Abs. 6 S. 2, § 200 Abs. 1 S. 2, § 147 Abs. 5, § 102 Abs. 1 Nr. 3b, § 119 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger zur Herausgabe von für die Besteuerung seines ehemaligen Mandanten M. bedeutsamen und ihm anvertrauten schriftlichen Unterlagen an den Beklagten verpflichtet ist.
Der Kläger, von Beruf Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer, war steuerlicher Berater von Herrn M… sowie Frau P.-M.. Letztere sind inzwischen geschiedene Eheleute, unter deren Namen in den Streitjahren 2002 bis 2004 jeweils getrennt ein Einzelhandel mit Tabakwaren (Herr M…; StNr.: …/…/…12) und ein Einzelhandel mit Zeitungen/ Lotterieannahmestelle (Frau P…-M…, StNr.: …/…/…45) steuerlich angemeldet waren. Der Kläger hatte für beide Einzelunternehmen u. a. die Finanzbuchhaltung für den Zeitraum 1. Dezember 2002 bis 30. Juni 2004 erstellt (für das Einzelunternehmen der Frau P…-… bereits ab 1. Januar 2002).
Bei beiden Unternehmen ordnete die Zentrale Umsatzsteuer-Sonderprüfungsstelle des Beklagten auf Ersuchen des Wohnsitz-Finanzamtes der Eheleute (Finanzamt W…) mit Bescheiden vom 23. Februar 2005 die Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Mai 2004 an. Die Eheleute machten daraufhin gegenüber dem Beklagten geltend, dass sie nicht im Besitz der entsprechenden Buchführungsunterlagen seien, weil diese vom Kläger wegen offener Honorarforderungen zurückgehalten würden.
In der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakte betr. Herrn M… befindet sich folgender Vermerk über zwei Telefonate der Sonderprüferin (Frau W…) vom 4. März 2005 mit dem Kläger einerseits sowie mit Herrn M… andererseits mit folgendem Inhalt:
„Herr S… beharrt auf sein Zurückbehaltungsrecht und ist nicht bereit, die Buchführung zur Verfügung zu stellen. Herr M… wurde hierüber informiert. Er wird versuchen, Herrn S… zu überzeugen, dass die Unterlagen nur für die Prüfung herauszugeben sind. Er meldet sich am Montag, um das Ergebnis mitzuteilen.”
Mit Bescheiden vom 18. März 2005 (mit Rechtsbehelfsbelehrung) forderte der Beklagte den Kläger auf, die Buchführungsunterlagen für die Jahre 2002 bis 2004 betr. die beiden o. g. Unternehmen (Kontoblätter, Journale, Abschlussbuchungen) innerhalb von vier Wochen nach Erhalt der Bescheide an die Umsatzsteuer-Sonderprüferin herauszugeben.
Nachdem der Kläger gegen diese Bescheide fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, präzisierte der Beklagte sein Herausgabeverlangen mit Schreiben vom 3. Mai 2005 dahingehend, dass er die Herausgabe der Buchführungsunterlagen (Buchführungskonten, Journale und Primanoten sowie Unterlagen über die Abschlussbuchungen) für die Jahre 2002 bis 2004 begehrte. Dies war eine Reaktion des Beklagten auf ein Schreiben des Klägers an den Beklagten vom 21. April 2005, mit dem der Kläger mitteilte, dass Herr M… „bereits sämtliche Buchhaltungsbelege, insbesondere die Lieferantenrechnungen, zurückerhalten” habe. Der Beklagte antwortete hierauf, dass dies nicht bestritten werde, sein Herausgabeverlangen sich aber auf die o. g. Buchführungsunterlagen beziehe. Weiter heißt es in dem Schreiben vom 3. Mai 2005:
„… Nach Ihren eigenen telefonisch gemachten Angaben machen Sie für diese Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber Ihrem ehemaligen Mandanten geltend. Es ist also davon auszugehen, dass die Unterlagen bei Ihnen vorhanden sind, so dass eine erneute Erstellung nicht notwendig ist. Ihre Begründung ist somit nicht ausreichend. …”
Daraufhin antwortete der Kläger mit Schreiben vom 18. Mai 2005 Folgendes:
„… Hinsichtlich der diesseitigen Einspruchsbegründung ist klarzustellen, dass sich das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht natürlich auch auf die für die Erstellung von benötigten Unterlagen erforderliche Arbeitsleistung bezieht. Entgegen Ihrer Auffassung ist nicht davon auszugehen, dass sich ein Zurückbehaltungsrecht lediglich auf die Herausgabe vorhandener Gegenstände bzw. Unterlagen beziehen kann. Ein Zurückbehaltun...