rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG für von Berliner Wasserversorger an das Land Berlin gezahlte Grundwasserentnahmeengelte sowie Straßennutzungssonderentgelte. Anwendungsbereich des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine juristischen Person des öffentlichen Rechts in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die u. a. mit der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Wasserversorgung in Berlin betraut ist, unterliegt nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG.
2. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG ist verfassungskonform und verstößt auch nicht gegen Europarecht.
3. „Rechte” i. S. d. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG sind Immaterialgüterrechte sowohl des öffentlichen Rechts als auch des Privatrechts, also subjektive Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbstständigem Vermögenswert, die eine Nutzungsbefugnis und entsprechende Abwehrrechte enthalten.
4. Die zur Erfüllung von Pflichtaufgaben im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge notwendigen Befugnisse stellen keine Immaterialgüterrechte gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG dar, und zwar unabhängig von der Rechtsform des Leistungserbringers (z. B. Eigenbetrieb, Anstalt öffentlichen Rechts, Public-Private-Partnership). Konzessionen i. S. d. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG liegen dagegen insbesondere bei repressiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt vor. So stellt z. B. beim gemeinwohlorientierten staatlichen Glückspielmonopol die Konzession eine befristete behördliche Genehmigung zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes dar.
Normenkette
GewStG 2008 § 8 Nr. 1 Buchst. f; Berliner Wassergesetz § 3 Abs. 5 Nr. 1, §§ 13a, 37a Abs. 1 Sätze 1-2, § 36; Berliner Straßengesetz § 11 Abs. 9, § 12 Abs. 1-3; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Der Gewerbesteuermessbescheid für 2008, zuletzt geändert am 5. Oktober 2011 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2015, wird dahingehend geändert, dass keine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG auf der Grundlage von Aufwendungen in Höhe von 59.836.806,– EUR vorgenommen wird.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob von der Klägerin bezahlte Entgelte für die Grundwasserentnahme und für die Straßensondernutzung der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 Gewerbesteuergesetz –GewStG– unterfallen.
Die Klägerin ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die u.a. mit der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Wasserversorgung in Berlin betraut ist (§ 37a Abs. 1 Satz 2 Berliner Wassergesetz –BerlWassG–, § 3 Abs. 5 Berliner Betriebegesetz –BerlBetrG–). Anstalts- und Gewährträger der Klägerin war zunächst allein das Land Berlin. Aufgrund der im Jahr 1999 durchgeführten Teilprivatisierung waren im Streitjahr 2008 private Investoren über eine zu diesem Zweck nach § 2 Abs. 1 BerlBetrG gegründete atypisch stille Gesellschaft zu 49,9 % an der Klägerin beteiligt (zu den daraus resultierenden Verstößen gegen die Berliner Verfassung s. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 42/99, juris). Zwischenzeitlich ist das Land Berlin wieder zu 100 % an der Klägerin beteiligt.
Die Klägerin betreibt Wasserwerke zur Gewinnung von Trinkwasser aus dem Grundwasser. Dazu werden poröse Rohre in die grundwasserführenden Schichten des Erdreichs getrieben, in denen sich das Grundwasser sammelt, das die Klägerin anschließend an die Erdoberfläche pumpt, aufbereitet und in das Trinkwassernetz der Stadt Berlin einspeist.
Die Klägerin ist verpflichtet, an das Land Berlin ein Grundwasserentnahmeentgelt zu entrichten, das sich nach der Menge des entnommenen Grundwassers richtet (§ 13a BerlWassG). Für das Streitjahr 2008 minderte die Klägerin ihr Einkommen um ein Grundwasserentnahmeentgelt in Höhe von 51.832.827,– EUR festgesetzt. Dies entspricht 0,31 EUR/m³.
Die Trinkwasserrohre der Klägerin befinden sich teilweise unter öffentlichem Straßenland Berlins, und das Land Berlin ist berechtigt, Sondernutzungsgebühren zu erheben (§§ 11 f. Berliner Straßengesetz –BerlStrG–), deren Höhe sich nach Art, Umfang, Dauer und dem wirtschaftlichen Vorteil der Sondernutzung richten (§ 11 Abs. 9 BerlStrG). Mit Vereinbarung vom 8. September/8. Oktober 2004 legten das Land Berlin und die Klägerin bis zum Jahr 2008 ein jährliches Straßensondernutzungsentgelt in Höhe von 14.800.000,– EUR fest, das nach Angaben der Klägerin in Höhe von 8.003.979,72 EUR auf den Betriebsteil Wasserversorgung entfällt.
In der – berichtigten – Gewerbesteuererklärung f...