Aufwendungen für die Überlassung von Kabelweitersenderechten
Hintergrund: Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG
Nach § 8 Nr. 1 GewStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb bestimmte Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe aus allen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG den Betrag von 100.000 EUR (aktuell: 200.000 EUR) übersteigt. Dazu gehört nach § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG ein Viertel aus einem Viertel – also ein Sechzehntel – der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen).
Sachverhalt: Zahlungen für die Überlassung von Kabelweitersenderechten
Die Beteiligten streiten darum, ob Zahlungen für die Überlassung von Kabelweitersenderechten gewerbesteuerrechtlich nach § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG dem Gewinn hinzuzurechnen sind. Die X-KG betrieb in den Streitjahren (2008 und 2010) Kabelnetze in der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen der X-KG und öffentlich-rechtlichen sowie privat-rechtlichen Fernseh- und Hörfunksendern bestanden in den Streitjahren Einspeiseverträge. Danach war die X-KG vertraglich verpflichtet, das jeweilige Programm zeitgleich, vollständig und unverändert in ihr Kabelnetz einzuspeisen und an die angeschlossenen Haushalte zu verteilen.
In den Gewerbesteuererklärungen für die X-KG betreffend die Jahre 2008 und 2010 wurden die Zahlungen an die GEMA sowie die VG Media nicht als Hinzurechnungsbeträge angegeben, sondern als für Durchleitungsrechte im Sinne der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 4.7.2008 (BStBl I 2008, 730, Rz 40) angefallen qualifiziert.
In einer unter anderem für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung bei der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der X-KG kam der Prüfer unter anderem zu dem Ergebnis, dass der X-KG von der GEMA und der VG Media Kabelweitersenderechte überlassen worden seien, für die die X-KG jeweils Zahlungen geleistet habe. Dabei handele es sich um Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten, die nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen seien.
Einspruch war erfolglos
Das Finanzamt (FA) hat die Einsprüche gegen die Gewerbesteuermessbescheide 2008 und 2010 zurückgewiesen.
FG hat der Klage stattgegeben
Das FG gab der Klage statt. Zwar handele es sich bei Kabelweitersenderechten um Rechte im Sinne von § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG. Diese verbrauchten sich jedoch mit jeder vorgenommenen Weitersendung. Sie seien deshalb nicht zeitlich befristet überlassen. Soweit die Zahlungen für die Abgeltung der Ansprüche nach § 20b Abs. 2 Satz 1 UrhG erfolgt seien, fehle es schon an der für § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG erforderlichen Zahlung für die Überlassung von Rechten, weil die Verwertungsgesellschaften selbst gar nicht über diese Rechte verfügen könnten.
Entscheidung: BFH hält die die Revision des FA für begründet
Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben und das FG-Urteil aufgehoben. Der BFH hat die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst f GewStG bejaht.
Kabelweitersenderecht ist urheberrechtlich geschütztes Recht
- Rechte im Sinne von § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG sind Immaterialgüterrechte, also subjektive Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbständigem Vermögenswert, die eine Nutzungsbefugnis enthalten und an denen eine geschützte Rechtsposition – ein Abwehrrecht – besteht.
- Wie sich auch aus dem in der Vorschrift enthaltenen Klammerzusatz ergibt, gehören zu den Rechten insbesondere auch Lizenzen. Unter einer Lizenz ist die von dem Lizenzgeber dem Lizenznehmer privatrechtlich eingeräumte Befugnis zu verstehen, Rechte oder Werte zu nutzen. Zu den Rechten, die durch eine Lizenz überlassen werden, gehören auch Urheberrechte. Für diese Rechte kann der Urheber nach § 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen.
- Ungeschützte Positionen hingegen, die kein Abwehrrecht gegenüber nicht berechtigten Personen gewähren, sodass Letztere von der Nutzung nicht ausgeschlossen werden können, werden nicht vom Rechtebegriff des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG umfasst. Das Kabelweitersenderecht ist ein urheberrechtlich geschütztes Recht an der Veröffentlichung eines Werks. Es handelt sich um keine ungeschützte (Rechts-)Position. Damit gehört das Kabelweitersenderecht steuerrechtlich zu den Rechten i.S. von § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG.
Rechte wurden auch zeitlich befristet überlassen
Bei dem Kabelweitersenderecht handelt es sich auch um ein im Sinne des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG übertragbares Recht. Dies ergibt sich für das Kabelweitersenderecht des Urhebers aus § 20b Abs. 2 Satz 1 UrhG und für das entsprechende Recht der Sendeunternehmen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UrhG. Die Kabelweitersenderechte waren auch nicht ausschließlich zur Überlassung an Dritte bestimmt. Die Nutzungsbefugnis an dem Recht auf Kabelweitersendung betraf allein die X-KG als Kabelunternehmen; auf die übertragenen Sendungen und deren Inhalt im Einzelnen kommt es nicht an, sodass es nicht um die Frage geht, ob die X-KG Dritten (den Kabelkunden) Rechte überlassen hat.
Entgegen der Auffassung des FG wurden die Kabelweitersenderechte im Streitfall auch zeitlich befristet überlassen und nicht endgültig übertragen. Im Rahmen der Beurteilung, ob eine zeitlich befristete Rechteüberlassung vorliegt, genügt es für gewerbesteuerliche Zwecke, auf die generelle Nutzungsbefugnis des Rechts auf Kabelweitersendung abzustellen. Es ist nicht auf das einzelne Werk im Rahmen eines Programms abzustellen (keine "atomisierende" Betrachtungsweise).
Hinweis: Hinzurechnung widerspricht nicht dem Gesetzeszweck
Die Hinzurechnung von Aufwendungen für die Überlassung von Kabelweitersenderechten widerspricht nach Auffassung des BFH auch nicht dem Zweck des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG. Der Gesetzgeber ging bei Schaffung des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG davon aus, dass dem Gewerbebetrieb bei der zeitlichen Überlassung von Rechten Sachkapital überlassen werde. In den Aufwendungen für die Überlassung dieser Rechte sei auch ein Finanzierungsanteil enthalten. Mit der (teilweisen) Hinzurechnung dieser Aufwendungen sei der Gleichstellung von Unternehmen gedient, die mit Eigen- und Fremdkapital finanziert seien. Diese Zwecke werden durch die Hinzurechnung von Vergütungen für die Überlassung von Kabelweitersenderechten nicht verfehlt. Die X-KG hätte alternativ zur Zahlung einer Vergütung für ein zeitlich befristet überlassenes Recht auf Weitersendung eines Werks in ihrem Kabelsystem auch ein dauerhaftes Nutzungsrecht (§ 31 Abs. 1 UrhG) erwerben können.
BFH Urteil vom 23.02.2023 - IV R 37/18 (veröffentlicht am 13.07.2023)
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