Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs bei Weiterveräußerung des Grundstücks innerhalb einer Urkunde an einen Zweiterwerber, wenn sowohl Erst- als auch Zweiterwerber Kapitalgesellschaften sind und diese durch denselben Geschäftsführer vertreten werden
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Erwerbsvorgang ist „rückgängig gemacht” i. S. v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wenn die Vertragspartner sich über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.
2. Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht anzuwenden, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind und der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.
3. Eine Verwertung einer Rechtsposition im „eigenen” (wirtschaftlichen) Interesse liegt auch dann vor, wenn Erst- und Zweiterwerber Kapitalgesellschaften sind und beide durch denselben Geschäftsführer bei Aufhebung und Neuabschluss vertreten werden.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Nichtfestsetzung bzw. Aufhebung der Grunderwerbsteuer, weil der Kaufvertrag aufgehoben worden sei.
Am 04.04.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH & Co.KG, in C. (im Folgenden: Grundstückseigentümerin) eröffnet – Amtsgericht C. – 36n IN 1640/05 –.
Unter dem 17.05.2006 machte die Klägerin der Grundstückseigentümerin ein notarielles Kaufangebot – URNr. 2997/2006, Notar D., E. – für das Grundstück F. Straße in C.. Dieses wurde nicht angenommen.
Mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag vom 28.09.2006 – URNr. 7514/06, Notar D. – veräußerte Rechtsanwalt G. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Grundstückseigentümerin das 488 m² große Grundstück Grundbuch von C., Bl. 15657, Flur 21, Flurstück 620, F.-straße, sowie ein Erbbaurecht, Erbbaugrundbuch Bl. 17487, Flur 21, FlSt. 624, 1133 m², an die Klägerin. Der Kaufpreis betrug 2.250.000,– EUR. Die im Notartermin vollmachtlos vertretenen Vertragsbeteiligten genehmigten die für sie abgegebenen Erklärungen am 29.09.2006 sowie am 11.10.2006, der Liegenschaftsfond C. am 09.10.2006. Die für die Klägerin abgegebene Erklärung gab ein Vertreter ab, der durch den Geschäftsführer H. bevollmächtigt worden war.
Mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag vom 20.10.2006 – URNr. 7914/06, Notarvertreter Rechtsanwalt I., Notariat D. – hoben Rechtsanwalt G. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Grundstückseigentümerin sowie die Klägerin den Grundstückskaufvertrag vom 28.09.2006 – URNr. 7514/06 – wieder auf. In derselben Urkunde wurde zwischen der Veräußererseite und der J. GmbH, „zukünftig”: K. GmbH, ein gleichlautender Grundstückskaufvertrag geschlossen. Alle am Vertrag Beteiligten wurden vollmachtlos vertreten. H. als Geschäftsführer sowohl der Klägerin als auch der K. GmbH bevollmächtigte jeweils L., der am 20.10.2006 den Notarvertrag für die K. GmbH und zehn Tage später am 30.10.2006 für die Klägerin (aufgrund Vollmacht vom 06.09.2006) genehmigte. Rechtsanwalt G. genehmigte den Vertrag am 27.10.2006.
Durch Bescheid vom 23.09.2008 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Erwerbsvorgang vom 28.09.2006 – URNr. 7514/06 – Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in Höhe von 99.143,– EUR fest. Als Bemessungsgrundlage legte er den Kaufpreis zu Grunde. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass mit dem Vertrag vom 20.10.2006 – URNr. 7914/06 – keine grunderwerbsteuerlich wirksame Vertragsaufhebung, sondern eine Vertragsübernahme durch die K. GmbH erfolgt sei.
Am 26.09.2008 erteilte die Klägerin durch ihren Liquidator H. den Prozessbevollmächtigten die Vollmacht zu ihrer Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten vor Behörden und Gerichten.
Den am 06.10.2008 gegen den Grunderwerbsteuerbescheid erhobenen Einspruch begründete die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten damit, der besteuerte Grundstückskaufvertrag sei vollständig rückgängig gemacht worden. Da für sie keine Eintragung im Grundbuch erfolgt sei, habe sie keine verbleibende Rechtsposition behalten, so dass der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt habe. Auch eine Verwertung einer verbliebenen Rechtsposition im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse liege nicht vor. Denn die Klägerin und die K. GmbH seien beides unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, so dass steuerliche Gestaltungsüberlegungen zu verneinen seien.
Am 11.12.2008 ließ die Klägerin dem Beklagten mitteilen, durch Beschluss vom 25.06...