Leitsatz
1. Werden die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags und die Weiterveräußerung des Grundstücks in einer einzigen Vertragsurkunde zusammengefasst, hat der Ersterwerber die Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen.
2. Ist dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig, hindert die Benennung des Dritten als Ersatzkäufer nicht die Anwendung des § 16 GrEStG.
3. Ob die Benennung des Ersatzkäufers auf Verlangen des Verkäufers oder im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers erfolgt ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen.
Normenkette
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin nahm am 4.10.2005 ein Angebot zum Erwerb zweier Grundstücke zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 1.825.000 EUR an. Zuvor hatte die Verkäuferin einer noch zu gründenden, in Luxemburg ansässigen Tochtergesellschaft der Klägerin ein gleichlautendes Angebot unterbreitet. Mit Vertrag vom 2.12.2005 hoben die Verkäuferin und die Klägerin den Grundstückskaufvertrag auf. In derselben Urkunde verkaufte die Verkäuferin dieselben Grundstücke zu demselben Kaufpreis an eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft (Zweiterwerberin). Die Zweiterwerberin ist die Tochtergesellschaft einer ebenfalls in Luxemburg ansässigen Holding-Gesellschaft, an der u.a. der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin beteiligt ist. Die Vertragsparteien vereinbarten die Übertragung einer von der Klägerin im Auftrag der Zweiterwerberin am 30.11.2005 geleisteten Anzahlung i.H.v. 194.000 EUR auf das Notaranderkonto des neuen Erwerbs. Das Grundstückseigentum war am 2.12.2005 noch nicht auf die Klägerin übergegangen.
Das FA setzte mit Bescheid vom 3.4.2006 die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest. Dagegen legte die Klägerin mit der Begründung, der Kaufvertrag sei rückgängig gemacht worden und die Festsetzung daher nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben, Einspruch ein. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Auffassung des FG hatte die Klägerin bei Aufhebung des alten und Abschluss des neuen Kaufvertrags in einer Urkunde ihre Rechtsposition aus dem ursprünglichen Erwerb im eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2.3.2011, 11 K 11060/07, Haufe-Index 2969482, EFG 2012, 1297).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück. Das FG hat im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aufzuklären, ob die Ersterwerberin ein eigenes (wirtschaftliches) Interesse an der Weiterveräußerung der Grundstücke an die Zweiterwerberin hatte.
Hinweis
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anzuerkennen ist, gehört nach wie vor zu den Standproblemen des GrEStG. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist ein Erwerbsvorgang "rückgängig gemacht", wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.
1. Problematisch ist die erforderliche tatsächliche Rückgängigmachung in Weiterveräußerungsfällen, in denen im zeitlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer formal umfassenden Aufhebung eines Erwerbsvorgangs erneut unter Beteiligung des Erwerbers über das Grundstück verfügt wird.
a) Hier ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen war.
b) Diese Verwertungsmöglichkeit verbleibt dem früheren Erwerber jedenfalls dann, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind. In diesem Fall kann der frühere Erwerber die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person nutzen. Denn der Veräußerer wird aus seiner Übereignungsverpflichtung gegenüber dem früheren Erwerber erst mit der Unterzeichnung des Vertrags durch alle Vertragsbeteiligten und damit erst in dem Augenblick entlassen, in dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks an den Zweiterwerber gebunden ist .
c) Darüber hinaus muss der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse verwerten. Die Einflussnahme auf die Veräußerung muss Ausfluss der dem Ersterwerber verbliebenen Rechtsposition sein.
2. Davon abzugrenzen sind Gestaltungen, in denen dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Eigentümer des Grundstücks dieses auf...