Leitsatz
1. Werden die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags und die Weiterveräußerung des Grundstücks in einer einzigen Vertragsurkunde zusammengefasst, hat der Ersterwerber die Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen.
2. Dieselben Grundsätze gelten, wenn die Verkäuferin eine Gesellschaft ist, der Kaufvertrag aufgehoben wird und in derselben Urkunde die Anteile an der Gesellschaft auf den Ersterwerber oder einen von diesem bestimmten Dritten übertragen werden.
Normenkette
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
An der Klägerin und ihrer Schwestergesellschaft sind die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer jeweils zur Hälfte beteiligt. Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 30.10.2006 von einer GbR ein Grundstück zu einem Kaufpreis i.H.v. 1.800.000 EUR; das Grundstücks war der einzige Vermögensgegenstand der GbR. Das FA setzte die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 27.11.2006 fest. Mit Vertrag vom 13.12.2006 hoben die Vertragsparteien den Grundstückskaufvertrag vom 30.10.2006 rückwirkend auf. In derselben Urkunde veräußerten die Gesellschafter der GbR ihre Gesellschaftsanteile an die Klägerin und deren Schwestergesellschaft zu einem Kaufpreis von 1.800.000 EUR. Im Zeitpunkt der Beurkundung war die Umschreibung im Grundbuch aufgrund der Auflassung vom 30.10.2006 noch nicht erfolgt.
Das FA lehnte den Antrag der Klägerin auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids ab. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage blieb erfolglos, weil der ursprüngliche Erwerbsvorgang nach Meinung des FG nicht vollständig rückgängig gemacht worden sei (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.1.2012, 11 K 11002/08, Haufe-Index 2947247, EFG 2012, 1296).
Entscheidung
Dieser Beurteilung ist auch der BFH gefolgt und hat die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Der Urteilsfall betraf eine besondere "Variante" der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Grundstücksveräußerin war eine Personengesellschaft (GbR). Nach Aufhebung des mit dieser geschlossenen Grundstückskaufvertrags erwarb der Grundstückserwerber alle Anteile der grundstücksveräußernden Gesellschaft und machte sodann im Hinblick den zunächst geschlossenen Grundstückskaufvertrag den Anspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG geltend.
1. Die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist steuerlich anzuerkennen, wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Zur Ausfüllung dieser Merkmale hat die BFH-Rechtsprechung für die sog. Weiterveräußerungsfälle einige besondere Grundsätze entwickelt (dazu die vorstehende Besprechung des BFH-Urteils vom 5.9.2013, II R 16/12, BFH/NV 2013, 2014).
2. Diese für Weiterveräußerungsfälle geltenden Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn der Kaufvertrag aufgehoben wird und in derselben Urkunde alle Anteile an der Gesellschaft auf den Ersterwerber oder einen von diesem bestimmten Dritten übertragen werden. In diesem Fall nutzt der Ersterwerber seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag aus, um zu bestimmen, wer die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwerben darf. Stellt der Ersterwerber damit sicher, dass er selbst oder ein von ihm bestimmter Dritter die Anteile der grundstückserwerbenden Gesellschaft erwerben kann, liegt darin eine die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausschließende Verwertung der Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag im eigenen wirtschaftlichen Interesse.
3. Diese Grundsätze dürften nur Fallgestaltungen betreffen, in denen der Ersterwerber alle Anteile der veräußernden Gesellschaft erwirbt. Werden weniger (z.B. nur 95 %) Anteile erworben, fehlt es schon – unbeschadet der Steuerbarkeit dieses Anteilserwerbs, dazu nachfolgend – aus diesem Grund an der vollständigen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs. Erfolgt der Anteilserwerb erst nach der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs, muss aufgrund einer Gesamtwürdigung festgestellt werden, ob der Ersterwerber im Zeitpunkt des Anteilserwerbs noch eine aus dem Erwerbsvorgang herzuleitende Rechtsposition im eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet hat.
4.Für die Praxis ist zu beachten, dass im Hinblick auf die etwaige Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG strikt zwischen dem (ggf. rückgängig gemachten) Ersterwerb des Grundstücks und dem anschließenden Zweiterwerb des Grundstücks bzw. der Anteile der grundstücksveräußernden Gesellschaft zu unterscheiden ist. Der Erwerb aller Anteile der grundstücksveräußernden Gesellschaft löst – unabhängig von der Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf den Erster...