Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines geringeren gemeinen Grundstückswerts (§ 198 BewG) bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens bzw. des Ertragswertverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Sachverständigengutachten genügt bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens nur dann den Anforderungen an den Nachweis eines geringeren gemeinen Werts (§ 198 BewG), wenn unter anderem
- konkrete Vergleichsobjekte mit Hausnummer benannt sind,
- eine reale Außenbesichtigung der Vergleichsobjekt durchgeführt wurde (eine bloß virtuelle Außenbesichtigung der Vergleichsobjekte ist nicht ausreichend),
- das Vergleichsgrundstück individualisiert werden kann (aus rechtlichen Gründen – z. B. Datenschutz, Amtsverschwiegenheit, standesrechtliche Schweigepflicht etc. – nicht individualisierbare Grundstücke sind als Vergleichsgrundstücke nicht geeignet),
- das Verkehrswertgutachten aus sich heraus verständlich und auf Plausibilität überprüfbar ist (Festhaltung an FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.7.2017, 3 K 3047/17).
2. Ein Sachverständigengutachten genügt bei Anwendung des Ertragswertverfahrens nur dann den Anforderungen an den Nachweis eines geringeren gemeinen Werts (§ 198 BewG) für ein Grundstück in Berlin, wenn unter anderem bei der Ableitung des Bodenwerts aus dem Bodenrichtwert nicht nur pauschal eine durchschnittliche, sondern die tatsächliche Geschossflächenzahl angesetzt worden ist, wenn dabei die Umrechnungstabelle des örtlichen Gutachterausschusses angewandt worden ist und wenn zudem berücksichtigt worden ist, dass ggf. nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung eine in einem Bebauungsplan ggf. festgesetzte niedrigere Geschossflächenzahl isoliert funktionslos geworden sein kann.
Normenkette
BewG §§ 157, 182 Abs. 2 Nr. 1, § 183 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 198; ImmoWertV § 15 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt, mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selber trägt.
Tatbestand
Der steuerlich vertretene Kläger erhielt mit notarieller Urkunde vom xx.xx.xxxx von Herrn B… das vermietete Wohnungseigentum (WE) Nummer (Nr.) xx in der C…-straße in D… im Wege der Schenkung. Der übertragene Miteigentumsanteil belief sich bei einer Grundstücksgröße von xxx m2 auf xx/1.000. Das übertragene WE hat eine Wohnfläche von 65 m2 und befindet sich im zweiten Obergeschoss des über eine Toreinfahrt durch das Vorderhaus zu erreichenden Hinterhauses. Die Durchfahrt in den befestigten lnnenhof ist nur für Kleinfahrzeuge möglich. Für Zwecke der Schenkungsteuer wurde das hierfür zuständige Lagefinanzamt E… von dem für die Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt F… zur Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 23.02.2021, den Tag der Schenkung, aufgefordert. Mit Bescheid vom 19.05.2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 23.02.2021 für Zwecke der Schenkungsteuer wurde der Grundbesitzwert der wirtschaftlichen Einheit WE Nr. xx in der C…-straße in D… mit xxxxxx EUR festgestellt und dem Kläger zugerechnet. Die Ermittlung des Grundbesitzwerts der Eigentumswohnung erfolgt dabei unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens nach § 183 BewG ausgehend von dem Jahr xxxx als Baujahr, einer Wohnfläche von 65 m2 und eines sich hiernach aus der Veröffentlichung der „Vergleichsfaktoren 2020 für den Teilmarkt des Wohnungseigentums zur Verwendung gemäß § 183 Abs. 2 BewG” der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in D… (veröffentlicht im Amtsblatt für D… xxx) ergebenden Vergleichsfaktors von xxxx EUR/m.
Gegen den Bescheid vom 19.05.2021 wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch und trug nachfolgend vor, dass der Grundbesitzwert für die wirtschaftliche Einheit WE Nr. xx in der C…-straße auf der Grundlage des von der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken G… erstellten Verkehrswertgutachtens vom 08.12.2021 mit dem dort ermittelten Wert von xxxxxx EUR neu festzusetzen sei. Nach den Ausführungen im Gutachten seien von der Sachverständigen im Rahmen der am 28.10.2021 erfolgten Ortsbesichtigung das Sondereigentum – mithin die Wohnung – und Kellerabstellräume besichtigt worden; das Gemeinschaftseigentum sei hiernach nur teilweise einer Besichtigung unterzogen. Zum Bauzustand des Gemeinschaftseigentums werde im Gutachten ausgeführt:
„Die Gebäude befinden sich nach äußerer Besichtigung in einem etwas ungepflegten baulichen Zustand, der dennoch von Sanierungen und Modernisierungen beeinflusst ist. Der Keller ist mit einem schlechten baulichen Zustand und ungepflegter Substanz zu beschreiben. Ebenso die Treppenhäuser und der Hof in einem verbrauchten ungepflegten Zustand”.
Zum Zustand des Sondereigentums heiße es:
„Das Wohnungseigentum befindet sich in einem abgewohnten verbrauchten baulichen Zustand. Gravierende Bauschäden bzw. Baumängel waren allerdings am Ortstermin nicht erkennbar-Schönh...