Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinnahmung des Entgelts im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht schon mit dem Wertstellungstag auf dem Konto, sondern erst bei tatsächlicher Verbuchung auf dem Konto des Unternehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist das Entgelt oder Teilentgelt erst dann im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG „vereinnahmt”, wenn der leistende Unternehmer eine Gegenleistung erhält, über die er wirtschaftlich verfügen kann. Wirtschaftliche Verfügungsmacht ist nicht gleichzusetzen mit endgültigem Zufluss. Eine Vereinnahmung liegt bereits dann vor, wenn das Entgelt oder Teilentgelt wegen späterer Rückgewähr die Rechtsfolgen des § 17 Abs. 2 UStG auslöst.

2. Bei Überweisungen auf ein Bankkonto des leistenden Unternehmers vereinnahmt dieser das Entgelt oder Teilentgelt im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht bereits im Zeitpunkt der Gutschrift (Datum der Wertstellung) auf dem Konto, sondern erst im Zeitpunkt der Buchung auf dem Konto des Empfängers.

 

Normenkette

UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 20; BGB § 675t Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.08.2023; Aktenzeichen V R 12/22)

 

Tenor

Der Bescheid über Umsatzsteuer für 2019 vom 18.05.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.09.2021 wird dahingehend geändert, dass die Bemessungsrundlage um 30.442,00 EUR gemindert wird.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger erzielt als Designer umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Er berechnet die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten.

Der Beklagte führte für das 2. Halbjahr 2019 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2019 wertete der Beklagte den Prüfungsbericht vom 17.11.2020 aus und erhöhte unter anderem die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze um 30.442,00 EUR (netto), weil diese Einnahmen bereits am 31.12.2019 gutgeschrieben, also vereinnahmt worden seien. Buchungstag sei der 02.01.2020 mit Wertstellung zum 31.12.2019 gewesen.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 18.12.2020. Er vertrat die Auffassung, dass der Beklagte zu Unrecht die mit Wertstellung am 31.12.2019 zugeflossenen Rechnungsbeträge i. H. v. 30.442,00 EUR in die Bemessungsgrundlage einbezogen habe und verwies auf das Urteil des FG B… vom 30.08.2007 (1 K 249/06) sowie auf § 224 Abs. 2 Nr. 2 AbgabenordnungAO –. Im Streitjahr habe er noch nicht über die Beträge verfügen können, weil diese erst am 02.01.2020 gebucht worden seien. Die Wertstellung auf den 31.12.2019 (Dienstag) sei lediglich für die Verzinsung von Bedeutung. Laut Literatur zum Umsatzsteuergesetz (Leipold in Sölch/Ringleb zu § 13 UStG Rz. 103) sei das Entgelt vereinnahmt, wenn der Unternehmer für seine Leistung eine Gegenleistung in Geld oder Geldeswert erhalte, über die er wirtschaftlich verfügen könne. Das Gesetz definiere nicht, wann das Entgelt vereinnahmt sei. Dies sei der Fall, wenn es dem leistenden Unternehmer in der Weise zugeflossen sei, dass er über die Gegenleistung in Geld wirtschaftlich verfügen könne. Bei einer Banküberweisung sei das Entgelt erst vereinnahmt, wenn der Betrag auf seinem Konto gutgeschrieben worden sei.

Mit den geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 23.03.2021 und 18.05.2021 berücksichtigte der Beklagte die mit der Umsatzsteuererklärung vom 15.01.2021 erklärten Vorsteuern. Er wies den Einspruch mit Entscheidung vom 01.09.2021 als unbegründet zurück und begründete dies damit, dass nach Art. 87 Abs. 1 und 2 der EU-Richtlinie 2015/2366 vom 25.11.2015 die Mitgliedstaaten sicherstellen müssten, dass das Datum der Wertstellung einer Gutschrift auf dem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers spätestens der Geschäftstag sei, an dem der Betrag des Zahlungsvorgangs dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers gutgeschrieben werde. Auch die entsprechenden Regelungen des BGB seien entsprechend angepasst worden. Nach § 675t Abs. 1 BGB in der Fassung vom 17.07.2017 sei der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers verpflichtet, dem Zahlungsempfänger den Zahlungsbetrag unverzüglich verfügbar zu machen, nachdem der Betrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters eingegangen sei. Der Zahlungsbetrag sei somit auch am Wertstellungstag (hier am 31.12.2019) verfügbar gewesen.

§ 224 AO gelte für Zahlungen an Finanzbehörden. Auch nach dem vom Kläger angeführten Urteil des FG B… sei im Sinne des § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO bei Überweisung auf ein Konto der Finanzbehörde allein der Tag der Gutschrift maßgebend. Nach der vom Kläger bemühten Literaturmeinung von Leipold sei das Entgelt vereinnahmt, wenn der Unternehmer für seine Leistung eine Gegenleistung in Geld oder Geldeswert erhalte, über die er...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge